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Welche Konsequenzen hat gelegentlicher Kokainkonsum wirklich

Photo: Anna Sudit
Zuweilen ist es schwierig, das glamouröse Image von Kokain zu entzaubern, das sich über viele Jahrzehnte hinweg etabliert hat. Wenn man Boulevardzeitungen zumindest ein bisschen Glauben schenken kann (und das ist ein großes WENN), bestand das Leben von Prominenten in den 80er- in 90er-Jahren aus teuren Sportwagen, langbeinigen Models und Partys mit tonnenweise Koks. Dieses Image wurde in True Romance von Tarantino stilisiert, durch BLOW erschien es regelrecht begehrenswert und den ikonischen weißen Berg in Scarface hat wohl jeder noch vor Augen.
Hollywood und die von Paparazzi unterwanderte Partyszene haben die Droge fraglos glorifiziert, aber es ist der gewöhnliche Alltagskonsum, über den wir reden müssen: als Muntermacher freitagabends nach der Arbeit in der allzu vertraut gewordenen Routine, die aus einem Drink, einer Line und einer Zigarette besteht.
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Dieser Verhaltenstrend schwächt sich anscheinend keineswegs ab, wenn man sich den jährlichen Europäischen Drogenbericht 2016 ansieht, laut dem geschätzt 3,6 Millionen Erwachsene (im Alter von 15 bis 64 Jahren) im vergangenen Jahr in Europa Drogen konsumiert haben. Darunter sind 2,4 Millionen unter 34 Jahren, das sind 1,9 % dieser Altersgruppe insgesamt. Lediglich drei Länder – das Vereinigte Königreich, die Niederlande und Spanien – berichteten eine „Kokain-Prävalenzrate von 3 % oder höher bei jungen Erwachsenen“. Dies bedeutet, dass im Vereinigten Königreich, Spanien und den Niederlanden der Kokainkonsum unter jungen Menschen in Europa prozentual am weitesten verbreitet ist.
Und obwohl man Kokain vielleicht für eine traditionell männliche Droge hält, ist der Konsum offenbar unter beiden Geschlechtern gleichermaßen verbreitet. The Guardian berichtete auf Basis von Daten aus dem Jahr 2014, dass Frauen mit derselben Wahrscheinlichkeit Drogen konsumieren wie Männer. Tatsächlich ist es keine Seltenheit, dass man ein gedämpftes Schniefen vernimmt, bevor sich drei oder vier Mädchen aus der Toilette eines Londoner Pubs zwängen.
Jeder weiß, dass Kokain – wie andere Drogen auch – höchst problembehaftet ist, nicht nur wegen der gesundheitlichen Auswirkungen des Konsums, sondern auch wegen der Herstellung und des Schmuggels nach Europa. Laut VICE sind Drogenkartelle in Mexiko für rund 55 % der Mordfälle des Landes verantwortlich und die anhaltende Nachfrage nach Freizeitdrogen aus dem Vereinigten Königreich und Europa trägt dazu dabei, dass sich an dieser bestürzenden Quote nichts ändert. Und trotzdem ist die moralische Verantwortung leider nichts, an das man Freitagnacht um 23:00 Uhr typischerweise denkt. Woran liegt es also, dass so viele Menschen die allzu realen Ursachen und die daraus resultierenden Todesfälle in anderen Teilen der Welt gewohnheitsmäßig ignorieren und Wochenende für Wochenende einen Batzen Bargeld gegen einen Plastikbeutel mit einem Gemisch-plus-ein-bisschen-Kokain eintauschen?
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Wir haben mit Nicky Walton-Flynn, Gründerin von Addiction Therapy London und Mitbegründerin von Wellness Hub UK darüber gesprochen, warum speziell Frauen anfälliger für regelmäßigen Kokainmissbrauch sein können und welche Nebenwirkungen gelegentlicher Konsum haben kann. Sie betonte, dass „Frauen durch den auf sie ausgeübten Druck, ob wahrgenommen oder real, zur Ergreifung extremer Maßnahmen getrieben werden. Kokain schafft offensichtlich gesteigertes Selbstvertrauen und mehr Energie, und ist so schnell zur Standard-Freizeitdroge für junge Frauen geworden. Außerdem ist es heute wesentlich günstiger als noch vor 30 Jahren“, ermöglicht durch die fortschreitende Globalisierung. Diese Abwärtsbewegung der Kokainkosten führt jedoch oft auch zu „gestreckten“ Gemischen von einem kleinen Anteil Kokain mit anderen, oft unbekannten Substanzen.
Hier ist ein kurzer Überblick von Nicky über die Konsequenzen für die körperliche und geistige Gesundheit, sowohl unsere persönliche als auch die öffentliche, wenn man ein- oder zweimal pro Woche Kokain konsumiert...
Photo: Anna Sudit
Könntest Du uns zunächst etwas über Deine Arbeit erzählen? Wie hilfst Du Süchtigen?
„Ich arbeite in einer Privatpraxis und biete ein integratives Modell der Gesprächstherapie an. Ich arbeite hauptsächlich mit Menschen, die mit Kokain aufhören möchten. Auf Schadensminimierung ausgerichtete Strategien setze ich kaum ein, weil diese meiner Erfahrung nach einfach selten bei Kokainabhängigkeit funktionieren. Meine Kunden streben an, abstinent zu leben. Zunächst verhelfe ich Menschen zu der Erkenntnis, dass eine Rückkehr zu gelegentlichem Konsum unrealistisch ist, wenn man einmal süchtig nach Kokain gewesen ist. Psychologische Betreuung ist ein wesentlicher Aspekt zu Beginn einer Suchttherapie. Ich ermutige meine Patienten dazu, die weitergehenden Folgen ihres Kokainkonsums zu identifizieren. Dazu gehören beispielsweise: körperliche Krankheit, verlorene Arbeitstage, Verlust des Arbeitsplatzes, Entfremdung von Freunden und Familie, Schulden.“
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Was kennzeichnet eine Sucht?
„Eine Sucht wird häufig als ‚fortschreitende Erkrankung‘ bezeichnet. Sobald sich die Toleranzgrenzen erhöhen, benötigt man eine höhere Dosis der Droge, um denselben Effekt zu erzielen. Man kann nicht vorhersagen, dass jemand süchtig wird, wenn er sechs Monate lang wöchentlich X Gramm Kokain konsumiert. Es ist möglich, einige Zeit lang ein ‚funktionierender Süchtiger‘ zu sein, bevor man Hilfe braucht. Nicht jeder wird sofort abhängig, aber die Wahrscheinlichkeit ist aufgrund des Einflusses der Droge auf das Belohnungssystem des Gehirns hoch. Das Suchtrisiko hängt von verschiedenen Einflussfaktoren ab, wie etwa Suchtfälle in der Familiengeschichte, Kindheitserfahrungen, ein kürzlich erlebtes oder länger zurückliegendes Trauma. All das hat einen Einfluss auf Beweggründe für den Kokainkonsum und das Risiko, eine Abhängigkeit zu entwickeln.“
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Kokain führt oft schnell zu starker psychischer Anhängigkeit, da es die Produktion des Glückshormons Dopamin anregt

Wie wird eine Gewohnheit zur Sucht?
„Durch anhaltenden und kontinuierlich zunehmenden Konsum. Kokain führt oft schnell zu starker psychischer Abhängigkeit da es die Produktion des Glückshormons und Neurotransmitters Dopamin anregt und dessen Spiegel im Gehirn erhöht.“
Welche Folgen kann anhaltender Kokainkonsum an Wochenenden haben?
„Da Kokain das Belohnungssystem des Gehirns beeinträchtigt, führt im Laufe der Zeit steigender Konsum dazu, dass man keine Freude und Glück durch ‚gewöhnliche‘ Vergnügungen mehr empfinden kann. Ein Beispiel ist Sex. Wenn beim Sex wiederholt Kokain im Spiel ist, nimmt die Fähigkeit ab, sexuelle Lust auch ohne Kokain erfahren und genießen zu können. Neben dem Belohnungssystem beeinträchtigt Kokain auch das Stressreaktionssystem des Gehirns. Meiner Erfahrung nach tritt Kokainabhängigkeit häufig gemeinsam mit einer Belastungsstörung auf. Kokain erhöht die Ausschüttung von Stresshormonen. Menschen erhöhen ihren Konsum dann, um den Stress wieder abzubauen. So entsteht der Suchtkreislauf.“
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MEISTENS ERFAHREN MENSCHEN EIN INTENSIVES EUPHORIEGEFÜHL, GEFOLGT VON STARK GEDRÜCKTER STIMMUNG UND DEPRESSION

Welche kurzfristigen Effekte hat der Kokainkonsum?
„Appetitlosigkeit, Mangelernährung, erhöhte Herzfrequenz und erhöhter Blutdruck, Gefäßverengung, beschleunigter Atem, erweiterte Pupillen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Übelkeit, Unterleibsschmerzen und Überreizung. Dazu kommen merkwürdiges, unberechenbares und manchmal gewalttätiges Verhalten sowie riskantes Sexualverhalten, Halluzinationen, starke Erregbarkeit, Reizbarkeit und Zorn. Meistens erfahren Menschen ein intensives Euphoriegefühl, gefolgt von stark gedrückter Stimmung und Depression. In extremen Fällen: taktile Halluzinationen, welche die Illusion von unter der Haut grabenden Insekten erzeugen, Juck- und Kratzattacken sowie starke Angstzustände, Reizbarkeit, Paranoia, Depression in Verbindung mit einem intensiven Verlangen nach der Droge, Panik und Psychosen, Krämpfe, Anfälle und in seltenen Fällen plötzlicher Tod durch eine Überdosis.“
Und die langfristigen Auswirkungen des Kokainkonsums?
„Die können ganz unterschiedlich ausfallen und reichen von dauerhaften Schäden an den Blutgefäßen des Herzens und des Gehirns über Bluthochdruck und dadurch verursachte Herzinfarkte, Schlaganfälle und Tod bis zu Schäden an Leber, Niere und Lunge. Dazu kommen Zerstörung der Nasenschleimhäute beim Schnupfen, Infektionskrankheiten und Abszesse beim Spritzen und Atemstillstand beim Rauchen. Unterernährung und Gewichtsverlust als Folge der Appetitunterdrückung. Zahnverfall. Sexuelle Gesundheitsprobleme wie Verminderung der Zeugungsfähigkeit und Unfruchtbarkeit (sowohl bei Männern als auch Frauen). Orientierungslosigkeit, Apathie, Verwirrung und Erschöpfung. Reizbarkeit und starke Stimmungsschwankungen. Akustische Halluzinationen, zunehmende Häufigkeit gefährlichen und hochriskanten Verhaltens – besonders in sexueller Hinsicht – und unberechenbares und zunehmend irrationales Verhalten, das zu Psychosen und/oder Delirium und klinischer Depression führt.“

‚ICH WILL NUR SPASS HABEN, ICH FÜGE NIEMAND ANDEREM SCHADEN ZU, ICH BIN NUR EIN MAL JUNG, ICH HÖR' BALD AUF...‘ – DAS IST DIE VERLEUGNUNG DER EIGENEN SUCHT

Weshalb glauben wir, dass wir ein zwangloseres Verhältnis zu Kokain haben als zu anderen Drogen?
„Die Verherrlichung in den Medien sorgt in Verbindung mit sinkenden Preisen dafür, dass breitere Bevölkerungsschichten Zugang dazu haben. Es steht Prominenten und hochbezahlten Geschäftsleuten nicht länger exklusiv zur Verfügung. Während der letzten Jahrzehnte wurde Koks in Filmen, Liedern und den Medien glorifiziert. Es gilt als cool. Und ganz entscheidend: Es sorgt dafür, dass wir uns temporär gut fühlen. Daher fragen wir uns, Wie kann es dann schädlich sein? Es mangelt auch an bewusstseinsbildenden Kampagnen in der Öffentlichkeit, die Jugendliche über sein tatsächliches Gefahrenpotenzial aufklären würden.“
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Auf welche Verhaltenstendenzen sollte man bei sich selbst oder anderen achten?
„Ein wichtiger Indikator ist, ob sich der Kokainkonsum von einer sozialen Angewohnheit, die Menschen im Griff haben, zu einer Abhängigkeit entwickelt hat, sodass sich jemand nicht an eine anfängliche Entscheidung für eine kokainfreie Nacht halten kann, sondern dann trotzdem Koks kauft. Dieser Entschluss wird typischerweise nach dem Konsum von Alkohol gefasst. So etwas ist ein eindeutiges Anzeichen einer Machtverschiebung. Die Droge hat dich jetzt in ihrer Gewalt, du hast die Kontrolle über dein eigenes Konsumverhalten und deine Entscheidungsfreiheit verloren. Das bedeutet Abhängigkeit/Sucht. In diesem Stadium beobachten wir eine Verleugnung der Sucht: ‚Ich habe die Wahl, ich will nur Spaß haben, ich füge niemand anderem Schaden zu, ich bin nur ein Mal jung, ich hör' auf, sobald ich sesshaft werde oder heirate, sobald ich Kinder habe, sobald ich 25, 28, 35 bin...‘ Das ist die Verleugnung der eigenen Sucht und das häufigste Narrativ, das ich in meinem Behandlungszimmer höre. Falls jemandem so etwas auffällt, würde ich der Person raten, Hilfe zu suchen.“
„Weitere offensichtliche Anzeichen: Es dauert immer länger, sich von einer Nacht auf Koks zu erholen, Kater werden schlimmer, man braucht immer mehr von der Droge, um denselben Effekt zu erzielen, das High hält nicht mehr so lange an und gedrückte Stimmung und Depression stellen sich immer schneller ein. Irgendwann bleibt die Euphorie ganz aus und der Konsument empfindet stattdessen nur noch Beklemmung und Paranoia.“

JUNGE FRAUEN STEHEN UNTER STÄRKEREM DRUCK, KLUG, WITZIG, CHARMANT, SEXY, SCHÖN, USW. ZU WIRKEN. KOKAIN GIBT IHNEN DAS GEFÜHL, DAS ALLES ZU SEIN, ENTLEDIGT SIE DIESER BELASTUNGEN & BIETET IHNEN KURZFRISTIGEN ERFOLG.

Warum sind junge Frauen Deiner Meinung nach besonders anfällig für den Gelegenheitskonsum von Kokain?
„Kokain gibt Menschen Selbstwertgefühl und führt dazu, dass sie sich als sexy wahrnehmen. Junge Frauen (20 bis 35) stehen unter stärkerem Druck klug, witzig, charmant, sexy, schön, schlank, clever, professionell, leistungsstark usw. zu wirken. Kokain verschafft jungen Frauen diese Empfindungen, entledigt sie der damit verbundenen Belastungen und bietet ihnen kurzfristige und irreführende Erfolgserlebnisse. Koks wirkt außerdem sehr enthemmend, also legen junge Frauen voller Zuversicht Verhaltensweisen an den Tag, die ihnen ansonsten fremd wären. Das betrifft zum Beispiel das Sexualverhalten.“
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Wie alt sind Deine Patienten mit Kokainabhängigkeit typischerweise?
„Zwischen 24 und 45.“
Welchen gängigen Trugschlüssen unterliegen Menschen Deiner Meinung nach häufig, wenn sie sich mit ihrem eigenen Umgang mit Drogen befassen?
„Abhängigkeit ist eine Erkrankung, die einem das Gefühl gibt, dass man nicht krank ist. Verleugnung. Menschen beruhigen sich selbst, indem sie ihren Konsum mit dem eines Bekannten vergleichen, der noch mehr nimmt. Also haben sie kein Problem. Sie sagen sich selbst, dass ihre Bekannten alle koksen und es daher ganz normal ist. Dadurch reden sie ihren eigenen Konsum klein und verharmlosen die Folgen.“
Was ist in modernem Straßenkokain enthalten?
„Kokain wurde traditionell mit Traubenzucker oder Abführmitteln verschnitten. Heutzutage verschneidet man immer häufiger mit Benzocain, ein Dentalanästhetikum, das den betäubenden Effekt von Kokain imitiert, und Levamisol, ein Entwurmungsmittel für Kühe und Pferde. Die BBC verfügt über ein ausführliches Verzeichnis von in Kokain gefundenen Fremdstoffen.“
In Deutschland wurden im Jahr 2015 das erste Mal nach einer jahrelang konstanten, rückläufigen Entwicklung wieder mehr Kokainsüchtige registriert. Auch die Zahl der Todesopfer durch Überdosis stieg an.
Wer sich in Deutschland aufhält und selbst süchtig ist oder eine/n Abhängige/n kennt, kann sich unter der 01805 - 313031 (0,14-0,42 € / Minute) an die Sucht- & Drogen-Hotline der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wenden.
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