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„Ich bin besessen von gesundem Essen“: Mein Leben als Ernährungsfanatikerin

Foto: Danny Kim.
Jordan Younger ist Bloggerin. 2015 machte sie Schlagzeilen, nachdem sie offen über ihre Gesundheit und ihren Lebensstil sprach. Ihre Geschichte erzählte sie nun auch Refinery29.
Vegan zu leben schien die Antwort auf alle meine Probleme zu sein.
In meinem letzten Semester an der Uni entschloss ich, mich vegan zu ernähren. Ich tat das in der Hoffnung, dadurch meine lebenslangen Verdauungsstörungen loszuwerden. Erstaunlicherweise schien es zu funktionieren. Mich ausschließlich pflanzlich zu ernähren beruhigte mein ständiges Unbehagen, an das ich so gewohnt war, und plötzlich fühlte sich mein Magen viel leichter an. Es war unglaublich. Veganismus gab mir ein Gefühl von körperlichem Wohlbefinden und absoluter Kontrolle. Nur brachte es gleichzeitig auch ein viel tieferes Problem zum Vorschein – eins, dessen ich mir bis dahin gar nicht bewusst war.
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Als ich meinen Abschluss machte, hatte sich meine ursprüngliche Hingabe zur rein pflanzlichen Ernährung schon längst zu einer Sucht entwickelt. Ich hatte einen Instagram-Account gestartet, in dem ich meine Geschichte und meine Entwicklung zu einem veganen Leben aufzeichnete. Ich postete Fotos von hübschen, bunten Salaten, Einweckgläsern mit grünen, frisch pürierten Smoothies. Ich war stolz darauf, meinen Lifestyle mit anderen zu teilen, und entdeckte die unfassbar große Neugier, veganes Essen in der Online-Community.
Foto: Tynan Daniels.
Als nächstes folgte mein Blog, in dem ich Rezepte teilte und mit meiner wachsenden Leserschaft kommunizierte. Ich konnte kaum glauben, wie viel Interesse die Leute an meinem Lifestyle hatten, und meine eigene Leidenschaft war so groß, dass ich gerne einen ganzen Tag vor dem Computer verbrachte, wo ich E-Mails beantwortete und Leuten auf ihrem Weg zu einem veganen Leben half.
Dann zog ich nach New York, um meinen Master zu machen. Doch sobald ich dort ankam, tauchte ich vollkommen in die Welt der veganen und pflanzenbasierten Ernährung ab. Plötzlich boten mir Saftbars ihre Cleanses an, im Austausch dafür, dass ich auf meiner Website darüber schrieb, und nachdem ich sechs Monate lang eine Menge Geld für solche Programme bezahlt hatte, kam es für mich nicht in Frage, ihre Angebote abzulehnen. Ich begann fast jede Woche drei Tage die Woche Juice Cleanses zu machen, manchmal sogar häufiger.
Eine Sache hatte sich allerdings verändert: Jedes Mal, wenn ich nach einer solchen Detox-Phase wieder begann, festes Essen zu mir zu nehmen, kamen meine Magenprobleme zurück – obwohl ich mich weiterhin rein pflanzlich ernährte. Es machte mir Angst, aber ich war nicht bereit zuzugeben, dass Veganismus vielleicht nicht das große Heilmittel war, für das ich es gehalten hatte. Stattdessen begann ich mehr und mehr feste Lebensmittel zu vermeiden, bis ich solche Angstzustände vor richtigem Essen entwickelt hatte, dass ich zum absoluten Wrack wurde.
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Ich versuchte meine Essensängste zu verstecken, wenn ich mit anderen Leuten zusammen war – und Veganismus war die perfekte Ausrede. Anstatt meine Essensangst zuzugeben, konnte ich einfach sagen, es sei zu schwierig, als Veganer in Restaurants zu gehen. Währenddessen drehte ich mich weiter im Kreis: Ich machte eine Cleanse, wurde zu hungrig, gab auf und aß etwas Festes, fühlte mich furchtbar schuldig und begann sofort mit der nächsten Cleanse. Mit meiner Familie am anderen Ende des Landes und meiner stetig wachsenden „The Balanced Blonde“-Marke war ich in der Lage, mein Versteckspiel viel länger durchzuziehen, als ich gesollt hätte.
Im Frühling 2014 konnte ich es aber nicht länger verstecken. Ich sah nicht annähernd so gesund aus, wie ich es vorgab. Ich konnte nicht schlafen, weil ich solche Angst davor hatte, was ich am nächsten Tag essen würde und welche Lebensmittel ich vermeiden musste. Mein Haar wurde dünner, meine Haut sah schrecklich aus und wurde orange von zu viel Beta-Carotin, mein Gesicht war längst mehr als mager. Ich sah aus und fühlte mich wie ein Schatten meiner selbst.
Der letzte Knaller kam, als ich aufhörte, meine Periode zu bekommen. Zunächst redete ich mir ein, es hätte nichts mit meiner Ernährung zu tun, aber als die Monate vergingen und nichts passierte, begann ich mir Sorgen zu machen. Ich hatte mit dem veganen Lifestyle angefangen, um ein gesünderes, besseres Ich zu sein, allerdings fügte ich meinem Körper offensichtlich nichts Gutes zu, das merkte ich. Nach einem langen Gespräch mit meiner besten Freundin über ihre Essstörung, wurde mir bewusst, dass auch ich an einer litt.
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Ich wusste also, dass ich ein Problem hatte, aber ich hatte keinen Namen dafür. Meine Symptome fielen nicht in die traditionellen Kategorien wie Anorexie, Bulimie und Esssucht. Mein Problem war eine Sucht nach gesundem, reinen, sauberen Essen, das aus der Erde kam, und einer Angst vor all dem, was meinem Körper schaden könnte.
Wie sich herausstellte, gab es tatsächlich einen Namen dafür: Orthorexie.
Foto: Tynan Daniels.
Orthorexie ist eine eher unbekannte Essstörung. Sie wird von der Schulmedizin derzeit noch nicht als Krankheit eingestuft, allerdings leiden viele an den Symptomen: eine Fixierung auf Reinheit, und die Angst vor allem Essen, das diese „Perfektion“ zerstören könnte. Die unter uns, die auch in anderen Bereichen zu Extremen tendieren, neigen mehr dazu, eine solche Sucht zu entwickeln.
Ich wusste, dass ich professionelle Hilfe benötigte und fing mit einer Ernährungsberatung und einer Therapie an, um zu lernen, mit den physischen und emotionalen Aspekten der Orthorexie umzugehen. Während meines Genesungsprozesses lernte ich, dass dieser „übermenschliche Wille“, dieser Drang, den ich schon so lange verspürte, ein typisches Zeichen für eine Essstörung ist. Ich hatte versucht, mein Leben durch meine Ernährung zu kontrollieren, und glaubte stark und würdig zu sein, weil ich meinen Körper glaubte, wie einen Tempel zu behandeln, obwohl ich ihn Wirklichkeit herunterwirtschaftete. Schrittweise fing ich an, die Reinheitssucht loszulassen und begann wieder zu leben. Langsam, aber sicher machte ich Schritte in die richtige Richtung, um mein Leben zurück zu bekommen.
Kurz nachdem ich meine Essstörung wirklich realisiert hatte, ließ ich auch davon ab, vegan zu leben. Das war eine der besten Entscheidungen, die ich je für mich getroffen habe. Mittlerweile lebe ich ohne jegliche Einschränkung oder Zuschreibung und finde mehr Kraft darin, als ich es je zuvor in meinem Pflanzenfanatismus gefunden hatte. Anstatt morgens als erstes über Essen nachzudenken, denke ich über mein Leben als Ganzes nach. Ich verbringe meine Zeit mit tollen Menschen und persönlichen Leidenschaften – wie meinem Blog, in dem es nun ausschließlich um Balance geht. Natürlich habe ich ab und zu noch Tage, an denen mir Essen Angst macht. Viele sogar. Aber ich lerne jeden Tag dazu, und darauf bin ich stolz. Ich versuche, auf meinen Körper zu hören, gut zu mir selbst zu sein, und vergeben zu können. Ich esse, wenn ich hungrig bin, und lasse es, wenn ich es nicht bin. Wenn ich Lust auf Gemüse habe, esse ich es. Wenn ich Lust habe, für den besten Cupcake der Stadt 30 Minuten zu fahren, dann kannst du darauf wetten, dass ich das tun werde. Ich habe sehr viel Freiheit in dieser Balance-Sache gefunden.
Nach drei Jahren des obsessiven Essens habe ich wieder stabile Blutzuckerwerte und ich habe keine Angst mehr davor, ein Stück Kuchen (voll mit weißem Mehl!) am Geburtstag meiner Freunde zu essen. Oder an meinem eigenen Geburtstag. Ich bin weit gekommen, und das ist ein Erfolg für sich.
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