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Warum die Abnabelung von den Eltern so wichtig ist & wie sie dir am besten gelingt

Was muss ich beachten, wenn ich neben dem Studium noch arbeite? Wie kleide ich mich zum Bewerbungsgespräch? Und wie soll ich eigentlich mein Leben auf die Reihe kriegen? In unserer #EndlichErwachsen-Themenwoche pünktlich zum Semester- & Bewerbungsstart wollen wir dir die Angst vor dem Erwachsenwerden nehmen und sprechen über das, was wir in der Schule nie fürs Leben gelernt haben – aber gerne gewusst hätten.
Erwachsenwerden, das bedeutet nicht nur, dass es (bald) kein Kindergeld mehr gibt und man sich dann selbst versichern muss. Spätestens mit dem Auszug aus dem Elternhaus beginnt auch die emotionale Abnabelung von den Eltern. Genau genommen beginnt dieser Prozess sogar schon viel früher. Die Ablösung vom „Kindheits-Ich“ geschieht langsam, Schritt für Schritt. Sowohl für die Kinder, die sich von ihren ersten Bezugspersonen abnabeln, als auch für die Eltern, die ihre Kinder gehen lassen müssen, ist die Phase des Erwachsenwerdens nicht immer leicht zu bewältigen (Hallo Pubertät!). Je älter man wird, desto mehr neigt man dazu, schwierige Situationen, die es definitiv gab, zu verklären oder gar ganz zu vergessen. Deshalb habe ich mit meiner Mutter telefoniert und mit ihr darüber gesprochen, wie das bei mir eigentlich alles so war. Welche brisanten Situationen auf meinem Weg sind uns beiden in Erinnerung geblieben? Wie hat meine Mutter sich gefühlt und wie habe ich es wahrgenommen? Was hat uns geholfen? Ein Gespräch über Rebellion, Traurigkeit und das Älterwerden.
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Insa: Kannst du dich noch an konkrete, erste Versuche der Abnabelung meinerseits erinnern?
Mama: Es gab wohl einige Momente, an denen ich das festmachen könnte. Als du in der zweiten oder dritten Klasse warst, habe ich dich und deinen Bruder das erste Mal abends allein zu Hause gelassen, um in der Nachbarschaft bei einem Geburtstag vorbeizuschauen. Ich hatte dir den Namen der Nachbarn aufgeschrieben und wollte dir gerade erklären, wie du die Nummer im Telefonbuch findest, da meintest du total selbstbewusst: „Mama, ich weiß, wie man telefoniert.“ In dem Moment wolltest du mir ganz klar vorhalten, dass du nun kein Kleinkind mehr bist. Später hast du mich dann aber tatsächlich angerufen, weil dein Bruder dich geärgert hat und du wolltest, dass ich nach Hause komme. Ich glaube heute, du hast mich da auch ein bisschen getestet. Später, als du in die Pubertät gekommen bist, hast du ständig kleinere Kämpfe mit mir ausgetragen und mich durchaus auch manchmal provoziert. Wenn ich wollte, dass du um zwölf zu Hause bist, hast du so lange diskutiert, bis wir irgendwann bei ein Uhr waren. Wenn ich dich dann abgeholt habe, hast du mir gesagt, dass du auch schon um zwölf hättest gehen können. Du hast schon sehr früh angefangen, deine Grenzen auszutesten. Und ich bin oft auf deine Tricks reingefallen.
Insa: Ich habe den Prozess der Ablösung als Jugendliche natürlich noch nicht wirklich reflektiert. Oft fand ich es einfach nur scheiße, dass ich schon um zwölf wieder zu Hause sein sollte, dass du immer genau wissen wolltest, mit wem ich unterwegs bin. Mit 14 oder 15 hatte ich schon ältere Freunde, die am Wochenende länger ausgehen konnten. Ich wollte da natürlich mithalten. Mit 15 durfte ich auch noch nicht allein mit meinen Freundinnen in den Urlaub fahren. Das tat mir damals sehr weh, weil sie ohne mich geflogen sind und ich mich echt superallein gefühlt habe in diesen 10 Tagen. Das war fast dramatisch damals. Aber ein Jahr später hast du mich dann fahren lassen, wenn auch wider Willen. Ich habe mich verdammt frei und richtig erwachsen gefühlt, als ich das erste Mal nur mit meinen Mädels und ohne Aufsichtsperson unterwegs war. Ich hatte ein Jahr lang darauf gespart und mir den Trip nach Gran Canaria ganz allein finanziert. Ein Urlaub, der sehr wichtig für mich war.
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Mama: Oder als du endlich deinen Führerschein hattest. Die ersten Fahrten, die du nachts allein mit meinem Auto gemacht hast, waren echt schlimm für mich. Ich konnte einfach nicht schlafen. Das ging erst dann, wenn du wieder zu Hause warst. Generell waren all diese Übergangsphasen schwierig für mich. Und ich war immer sehr nah am Wasser gebaut.
Insa: Wie war das, nachdem ich ausgezogen bin?
Mama: Ich hatte immer das Gefühl, dass du das gut meistern wirst. Ich wusste ja, dass das irgendwann kommt und dass es genau richtig ist. Aber als du und dein Bruder dann beide innerhalb von zwei Monaten ausgezogen seid, war das emotional schon heftig. Zu viel auf einmal. Und ich war zusätzlich noch mitten in den Wechseljahren. Auf einmal war das Haus leer, das ist eine krasse Umstellung für eine Mutter. In dieser Zeit habe ich viel an euch gedacht und auch oft angerufen.
Insa: Die Wohnungssuche war eine aufregende Zeit. Ich hatte einen Studienplatz bekommen und bin allein los, um mich zu immatrikulieren und um eine Wohnung oder ein Zimmer in einer WG zu finden. Da ich direkt jemanden in Kiel kennengelernt habe und wir uns sofort dazu entschlossen haben, gemeinsam eine WG zu gründen, war klar: Ich bin an diesem neuen Ort nicht alleine. Ich hatte kein Heimweh, wenn ich mich recht erinnere. Ich bin aber auch noch alle zwei, drei Wochen zurück nach Hause gefahren – als Studentin hatte ich ja auch noch Zeit für die ganze Fahrerei. Die Ablösung von der alten Heimat hat sich in meiner Erinnerung sukzessive, Schritt für Schritt vollzogen. Irgendwann wurde es dann immer weniger.
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Insa: Was hat dir dabei geholfen, dich an die neue Situation zu gewöhnen?
Mama: Ich habe mich um meine berufliche Weiterbildung gekümmert, viele Kurse und Fortbildungen besucht in dieser Zeit. Privat habe ich mich mit Bewegung abgelenkt und mir beispielsweise ein Mountainbike gekauft. Damit habe ich mich dann ins Gebirge getraut. Lauter kleine Herausforderungen, die mir ein wenig dabei geholfen haben, mich an die neue Situation zu gewöhnen. Grundsätzlich muss man immer wieder im Leben durch Veränderungen durch gehen und lernen, diese auszuhalten.
Insa: Stimmt. Das war bei mir ähnlich. Ich hatte einfach immer etwas zu tun. Das Studium, die Eingewöhnung in der neuen Stadt, etliche neue Leute um mich herum. Es gab so viel zu entdecken und ich war neugierig. Das hat dazu beigetragen, sich an die neue Lebenssituation zu gewöhnen. Letztendlich ging das auch echt schnell dann. Ich erinnere mich, dass wir noch einmal zusammen im Urlaub waren. Das war nicht so einfach. Dir ging es damals nicht so gut und ich habe mir Sorgen gemacht deswegen. Irgendwie fühlte ich mich das erste Mal für dich verantwortlich in diesem Urlaub, was eher dazu führte, dass wir uns nur mehr zofften. Das war eine Zeit, in der es für mich noch schwierig war, mich klar abzugrenzen. Aus heutiger Sicht war das aber auch ein Hinweis darauf, dass ich dabei war, erwachsen zu werden und mich ganz bewusst unbedingt anders positionieren wollte als du. Danach bin ich auch nicht mehr so häufig nach Hause gekommen. Andererseits habe ich auch registriert, dass du nicht mehr permanent für mich erreichbar warst. Daran musste ich mich auch gewöhnen.
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Insa: Warum ist der Abnabelungsprozess wichtig, sowohl für die Mutter als auch für das Kind?
Mama: Das ist eben der Lauf der Dinge. Alles andere wäre nicht richtig. Auch wenn es manchmal schwer ist, müssen alle ihre eigenen Erfahrungen machen. Auf eigenen Beinen stehen, will gelernt sein. Da du mir aber trotzdem immer viel aus deinem Leben mitgeteilt hast, hatte ich immer ein gutes Gefühl. Du wusstest schon immer, was du willst. Das Gefühl habe ich heute auch noch.
Insa: Ich glaube auch, dass jeder Mensch da durch muss, ohne Ablösung geht es nicht. Dieser Prozess, auch die Streits und endlosen Diskussionen gehören zum Erwachsenwerden und zum Finden der eigenen Identität dazu. Kinder müssen sich von ihren Eltern trennen und Eltern müssen ihre Kinder irgendwann gehen lassen. Bei manchen geht das schneller, bei anderen dauert es etwas länger. Alle haben dabei ein anderes Tempo, manchmal auch Orientierungsprobleme. Ich finde das alles in Ordnung, solange man irgendwann auf jeden Fall flügge wird, wie man so schön sagt.
Insa: Würdest du sagen, dass der Abnabelungsprozess bei uns beiden funktioniert hat?
Mama: Ja, auf jeden Fall. Ich finde es toll, dass du so selbstständig und selbstbewusst geworden bist. Du gehst deinen eigenen Weg. Trotzdem war die Zeit, als du auch räumlich Abstand von mir genommen hast, nicht immer einfach für mich. Man wird auch mit Schmerz und Wehmut konfrontiert. Themen wie Einsamkeit, Alleinsein und das Älterwerden generell waren plötzlich sehr präsent in meinem Leben. Ich musste mich erstmal neu orientieren und mir wieder andere Lebensinhalte suchen. Fast 20 Jahre lang hatte ich mich schließlich ganz stark auf die Familie und meine Kinder fokussiert. Heute mache ich mir nicht mehr so viele Sorgen. Wenn du dich nicht meldest, weiß ich trotzdem, dass alles okay ist.
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Und ganz ehrlich. Manchmal war es auch ein bisschen anstrengend, wenn ihr mich beide zeitgleich besucht habt. Ihr verbreitet ein ganz schönes Chaos. Sei mir nicht böse, dass ich das jetzt sage. Ich finde, das ist ein gutes Zeichen, dass die Abnabelung sehr gut funktioniert hat. Jeder von uns dreien hat sich in seinem Leben eingerichtet. Kinder kommen auf die Welt, man begleitet sie eine Zeit lang und dann gehen sie irgendwann ihren eigenen Weg. Loslassen gehört dazu.
Insa: Dem habe ich auch aus meiner Perspektive fast nichts hinzuzufügen. Heute denke ich manchmal, dass es schön wäre, wenn wir wieder näher zusammenwohnen würden, weil man sich dann öfter einfach mal auf einen Kaffee treffen könnte. Andererseits war es für mich wichtig, dass ich räumlichen Abstand zu meiner Familie gewinnen konnte. Das hat mir dabei geholfen, Dinge selbst in die Hand zu nehmen und Probleme auf eigene Faust zu lösen. Zum Glück gibt es Handys, WhatsApp und Facetime, um unkompliziert und unmittelbar Kontakt zu halten.
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