Österreichs majestätische Hauptstadt ist berühmt für ihr eindrucksvolles Barock- und Jugendstil-Erbe, traditionsreiche Kaffeehäuser und eine der bekanntesten Opern der Welt. Nur die Wenigsten wissen: Wien hat neben Klimt, Melange und Mozart noch eine ganz andere Seite. Denn im Schatten kaiserlichen Glanzes und höfischer Etikette ging es in den engen Gassen immer wieder heiß her. Dass amouröse Abenteuer in der Stadt an der Donau bis heute Tradition haben, davon hat auch die Band der Stunde – Wanda (benannt nach der stadtbekannten Zuhälterin Wanda Kuchwalek) – schon das ein oder andere Lied gesungen. Da gehört es dann fast schon zum guten Ton, das auch der erste weibliche Orgasmus auf der Kinoleinwand von einer Wiener Schauspielerin stammt: Hollywoodstar Hedy Lamaar ging 1933 mit ihrem oscarreifen Höhepunkt im Spielfilm Ekstase zurecht in die Filmgeschichte ein, der heute in einer Sequenz von mehr als drei Minuten Teil der Ausstellung Sex in Wien. Lust, Kontrolle, Ungehorsam (noch bis 22. Januar 2017) im Wien Museum am Karlsplatz ist. Anlass genug, der Stadt mal einen etwas anderen Besuch abzustatten und sie nach ihren verruchtesten Orten abzuklopfen.
Was lange Zeit verboten war, ist außerhalb von Wiens Prachtboulevard, der Ringstraße rund um den 1. Bezirk, fester Bestandteil des Stadtbildes: Sexshops. Während Dildos damals nur gegen medizinische Verschreibung ausgegeben werden durften – zum Beispiel an „hysterische“ Frauen, die mit einer Orgasmus-Kur geheilt werden sollten – reiht sich heute eine eindeutig zweideutige Reklametafel an die nächste. Weniger schrill dafür umso geschmackvoller ist der Laden von Ingrid Mack. Seit 1994 zelebriert sie im mittlerweile legendären Liebenswert (Montag bis Freitag 11-19 Uhr, Samstag 11-18 Uhr) in der Esterhazygasse 26 feminine Lebensart. Auf 220qm Verkaufsfläche und zusätzlichen 100qm für Seminare, Vorträge und Ausstellungen werden Qualität und hochwertige Materialien groß geschrieben. Ergänzt durch einen Onlineshop kann Frau hier zu jeder Tages- und Nachtzeit nach Herzenslust ihrer Fantasie freien Lauf lassen.
Am schnellsten von A nach B geht es noch immer mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei ist die Straßenbahn – von Einheimischen auch liebevoll „Bim“ genannt – die charmanteste Wahl, denn bis heute sitzt man hier zum Großteil auf historischen Sesseln. Bei Nicht-Ortskundigen erobert noch ein traditionsreiches Fortbewegungsmittel die Neorenaissance gesäumten Straßen der Altstadt: die Wiener Fiaker. Im Volksmund auch „Porzellanfuhren" genannt, dienten sie früher oft als Liebesnest, weil sie aufgrund schlecht beschaffener Straßen gezwungen waren, extra langsam zu fahren. Während der Kutscher versucht war Schlaglöchern auszuweichen, blieb den Fahrgästen viel Zeit sich eng aneinander gekuschelt wichtigeren Dingen zu widmen.
Sollten die liebestollen Paare dabei ein Ziel gehabt haben, waren sie im Sommer möglicherweise unterwegs zum Donau-Ufer: Denn trotz Verbots konnte man dort meist ungestört nackt baden. Und auch heute noch hat das Nacktbaden in der sonst so auf Etikette bedachten Stadt Tradition. Den schönsten und größten FKK-Bereich gibt es auf der Wiener Donauinsel. An der Süd- und Nordspitze, direkt an der Neuen Donau, können in angeschriebenen Bereichen auf insgesamt acht Kilometern die Hüllen fallen gelassen werden. In den kalten Wintermonaten geht man dazu dann aber doch besser ins Badehaus Sargfabrik, wo das FKK-Baden nach freiem Ermessen grundsätzlich jeden Tag möglich (aber keineswegs ein Muss) ist – immer Mittwochs sogar zu klassischer Musik.
Ein ebenso geschichtsträchtiger wie damals zweifelhafter Ort ist die Gegend am Spittelberg, die heute einen der schönsten Weihnachtsmärkte beherbergt. Huren, Gaukler, Straßenkünstler, Artisten und Schriftsteller haben sich hier zwischen Bordellen, Gasthäusern und Wandertheatern in Holzverschlägen zusammengefunden. Vom frivolen Treiben vergangener Tage ist in dem heute noch immer multikulturellen Biedermeierviertel nicht mehr viel zu spüren, gemütliche Seitengassen und romantische Hinterhöfe bieten sich zu später Stunde aber noch immer für das ein oder andere (mutige) Abenteuer an. Liebeshungrige mit knurrendem Magen kehren am Besten im Amerling Beisl (Montag-Freitag 9-2 Uhr) in der Stiftgasse 8 ein und genießen den Charme des idyllischen Hinterhofs.
Was früher das Viertel rund um die Spittelberggasse war, ist heute das Stuwerviertel und der Prater. Seit seiner Öffnung im Jahr 1766 macht er als einer der verschlagensten Orte Wiens immer wieder von sich Reden. Hier treffen sich Paare in trauter Zweisamkeit, ob beim Mauthnerwasser in den Prater-Auen oder in einer der weitläufigen Wald- und Wiesen-Anlagen. Wer noch auf der Suche nach einer besseren Hälfte ist, kann sein Glück im dezentral (Montag bis Sonntag 17-24 Uhr) am Ilgplatz 5 versuchen, wem der Sinn eher nach einem Varietéclub in alter Wiener Tradition steht, wird in der Xena Bar in der Molkereistraße 3 fündig.
Romantiker entführen ohnehin lieber in den Volksgarten in ein aphrodisierendes Bett aus Rosen, die bei schönem Wetter bis in den späten Herbst blühen. Umgeben von Rosenstöcken, kann man sich hier nicht nur vom Duft der Blumen verführen lassen. Wem es hierfür ein wenig an Inspiration fehlt, dem sei unbedingt das Fortuna Kino ans Herz gelegt. 1918 erbaut und 1977 zum Sexkino umfunktioniert, ist es eines der letzten komplett erhaltenen Vorstadtkinos Wiens, das seit 2013 wieder für Besucher geöffnet ist. Täglich werden zwei qualitativ hochwertige Filme gezeigt, die jeden zweiten Tag wechseln, Mittwoch und Samstag werden Erotikfilme mit Handlung gespielt und an jedem vorletzten Samstag im Monat läuft ein „normaler“ Film.
Wer in Wien selbst nicht so viel Zeit hat, zieht sich vorab die amüsante Lektüre Josefine Mutzenbachers Erotische Literatur zu Gemüte. Eher eine Beichte als Pornographie vermittelt sie ein Sittenbild des Wien der kleinen Leute. Ihre lustvolle Freizügigkeit gilt bis heute als umstritten, ist am Ende aber einfach ein grundehrliches Plädoyer für die Natürlichkeit von Lust und Begierde. Ob sie und wenn nicht, wer der wirkliche Urheber dieses literarischen Klassikers war, darüber gibt es bis heute wilde Spekulationen. Entstanden sein soll es im Café Griensteidl am Michaelerplatz 2, im späten 19. Jahrhundert ein berühmtes Künstlerlokal. Das Essen hier ist nichts Besonderes, auf eine Tasse Kaffee sollte man sich das bunte Treiben hier aber nicht entgehen lassen. Für eine intimere Atmosphäre und ein Stück authentische Sachertorte ist das Kleine Café am Franziskanerplatz 3 eindeutig die bessere Wahl. Schließlich sind die süßen Sünden am Ende doch noch immer die größten Begierden in dieser zauberhaften Stadt.
http://www.wienmuseum.at/de/aktuelle-ausstellungen/ansicht/sex-in-wienlust-kontrolle-ungehorsam.html
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