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Flashback Ferienlager: Wie ich mein Teenie-Trauma heilte

Foto: Jessy Katschewitz
Es reichen drei Worte, um wieder ein Teenager zu werden: Tischtennisrundlauf, Lagerfeuer-Stockbrot und Händchenhalten. Wohin reisen wir? Genau, ins Ferienlager! Wo man beim heimlichen Biertrinken die Zimmertür zuhalten muss. Wo man immer auf der Hut sein sollte, dass die Lehrer eine Nachtwanderung planen. Wo sich Paare finden. Wo man bei Sport-Wettbewerben zum Sieger oder Loser der Klasse werden kann. Wo das Eis am besten schmeckt. Doch wie fühlt es sich an, wenn man als Erwachsener wieder ins Ferienlager eincheckt? Etagenbett im 6-Bett-Zimmer anstatt Airbnb-Loft und Kamillentee statt Matcha Latte? Seit diesem Sommer gibt es das Camp Breakout (vier Tage für 210 Euro all inclusive) – eine Idee der Hamburgerin Maike Engel (34).
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Foto: Jessy Katschewitz
Als sie Kinder beim Spielen auf der Straße sah, wurde sie eifersüchtig und dachte sich: „Das will ich auch mal wieder. Aber ohne mich zu blamieren.“ Und so machte sie sich mit ihrer Idee selbständig, Feriencamps für Erwachsene zu organisieren. Dieses Jahr auf Usedom und in Holstein, weitere sollen im Frühjahr folgen. Super, denn mal ehrlich: Was gibt es zwischen Festivals und Yoga-Retreats an lässigen Reisen für erlebnishungrige Großstädter? Es war gar nicht so einfach für Maike, eine typische Herberge zu finden mit nicht ganz so strengen Regeln (denn es sollte moderates Trinken und Rauchen erlaubt sein) und keinen Kindern. Denn das Camp ist ausdrücklich ab 21 Jahre. Die Teenager-Zeit muss schon etwas zurück liegen – aber die Erwachsenen sollen selber wieder spielen und nicht die Kleinen bespaßen oder Vorbilder sein und dann nicht aus sich rausgehen. Ich bin spontan dabei – auch wenn ich eigentlich keine Gruppenreisen mehr mache und mir im Urlaub ungern einen Tagesablauf vorgeben lasse. Doch ich habe Lust, Ukulele zu lernen. Ich liebe Lagerfeuer, Sommer an Deutschlands Küsten und Junggebliebene zu treffen.

Ich wünschte, es wäre ab und zu mal wieder 1996 – denn ich genieße es, dass niemand nebenbei am Smartphone daddelt

Am Eingang zum Camp gebe ich gleich mal einen Teil von mir ab: meine Erreichbarkeit und meine Identität. Mein Handy kommt in eine Butterbrottüte und auf meinem Namensschild steht „Engel“. Durchaus geschmeichelt von dem ehrenhaften Camp-Namen schwebe ich in mein Zimmer und bekomme sofort einen Flashback: Oben oder unten schlafen? Früher wusste ich schon nicht, was strategisch günstig ist. Schlechte Luft unten oder Angst vorm Rausfallen oben? Wie früher! Zum Abendessen gibt es Nudeln mit Bolo-Soße. Als Vegetarierin muss ich wie damals nach einer Extrawurst fragen – und werde natürlich wie das Stiefkind vom Herbergsvater behandelt. Mit hoch gezogener Augenbraue schöpft er eine fade Tomatensoße auf meinen Teller. Schön, dass sich manche Dinge nicht ändern.
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Foto: Jessy Katschewitz
Schnell ergeben sich Gespräche mit meinen Mitcampern – die meisten um die 30. Viele Singles, aber auch Paare oder Mütter in Auszeit. Ich wünschte, es wäre ab und zu mal wieder 1996 – denn ich genieße es, dass niemand nebenbei am Smartphone daddelt und ich auch nicht das Gefühl habe, meine Eindrücke auf Facebook teilen zu müssen. Und ich liebe jetzt schon die Regel, dass Gespräche über den Job Tabu sind. Da gibt es weder Gejammer noch Gepose. Erholsam. Stress kommt auf, als die Gruppenspiele beginnen. Das hat mir noch nie Freude bereitet, doch dieses Mal will ich mich nicht drücken und melde mich zum Songvorturnen. Ich muss „Your my heart, you're my soul“ vorgurgeln – und keiner errät es. Ich wusste es. Ich fühle mich wieder klein, ja. Aber im Gegensatz zu früher kratzt es nicht an meinem Selbstbewusstsein.
Foto: Jessy Katschewitz
Schon in der ersten Nacht – und war es nicht immer so? – finden sich automatisch die Camp-Paare am Lagerfeuer: Gruppen und Liebeleien. Interessant, diese Dynamik mit einem erwachsenen Blick zu beobachten. Schön, dass man das noch mal erleben oder auch nachholen kann. Nur ich bin in der ersten Nacht früh ins Bett (Arbeitskater!)– Ich habe nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, doch ich muss zugeben: Ich erinnere mich wieder an das Gefühl von Eifersucht, wenn man niemand zum Händchenhalten trifft und den Rausch, wenn es sich ergibt. Hach!

Aber wie gut, dass man sich beim diesem Ferienlager jederzeit ohne Entschuldigung abmelden kann. Alles ist freiwillig und niemand droht, die Eltern anzurufen

Die nächsten beiden Tage vergehen wie im Flug: Um 7 Uhr Yoga (wäre damals niemand freiwillig für früh aufgestanden), dann super Frühstücks-Buffet mit Nutella-Brötchen, DIY-Ecke mit dem Team von der Internet-Selbermachplattform Hand im Glück (https://hand-im-glueck.de/). Ich kann an einem Vormittag so viele Geschenke für kommende Geburtstage vorbasteln, die auch gar nicht so schlecht aussehen: Bemalte Steine, bedruckte Jutebeutel und gehäkelte Haarspangen. Ich bin motiviert, wenn ich nicht gezwungen werde, einen Topflappen zu häkeln. Besser als damals. Mein größter Lernerfolg: Die Künstlerin Gloria Sophie Wille sieht ein bisschen aus wie Björk und springt mir in nur einer Stunde bei, wie ich am Lagerfeuer mit der Ukulele und dem Beatles-Klassiker „Hey Jude“ beeindrucken könnte. Das wollte ich schon immer. Jetzt kann ich es! Danke! (Hab mich aber noch nicht getraut).
Foto: Jessy Katschewitz
Nach einem Hoch folgt auch ein Tief: Nachtwanderung. Ich habe die schon damals gehasst, weil ich wahnsinnige Angst im dunklen Wald habe und mich immer zu Tode erschrecke, wenn jemand mich aus dem Gebüsch anbrüllt. Im Alter kommt noch dazu: Kontrollverlust! Keiner wollte hier sagen, wie lange das dauert und wohin der Weg führt. Ich hatte keine Taschenlampe – und NIEMAND ein Handy. Fazit: Bin ich zu alt dafür, nachts zu stolpern und mich zu verlaufen. Nie wieder. Auch Sandburgen muss ich nicht am Strand bauen, dann lese ich lieber mal in Ruhe ein Buch in der Sonne. Aber wie gut, dass man sich beim diesem Ferienlager jederzeit ohne Entschuldigung abmelden kann. Denn alles ist freiwillig und niemand droht, die Eltern anzurufen. Erwachsen sein ist doch befreiender. Da darf man alles (auch bis 5 Uhr am Lagerfeuer Marshmallows schmelzen), ist mit sich schon so weit im Reinen, dass man auch ohne Alkohol auskommt und muss auch nicht mehr beim Tischtennisrundlauf gewinnen (hey, dritter Platz!). Am Ende hätte ich gerne ein paar Brieffreundschaften geschlossen. Aber das ist ja heutzutage nicht mehr angesagt. Sobald ich mein Handy wieder habe, kann ich immerhin neue Facebook-Freunde aufnehmen.

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