Die Hochzeitsindustrie lebt davon, dass Bräute ein teures Kleid kaufen, das sie nur einmal im Leben anziehen. Während die Debatte rund um den Überkonsum in der Modebranche aber immer lauter wird, überdenken viele Bräute diese „Einmal tragen, für immer im Schrank hängen lassen“-Mentalität. „Da wir als Gesellschaft zunehmend auf Nachhaltigkeit setzen, beschäftigen sich immer mehr Menschen damit“, meint Alexis Walsh, Modedesignerin und zukünftige Braut. „Vielen wird klar, dass ein Hochzeitskleid die perfekte Gelegenheit ist, um in ein nachhaltigeres Kleidungsstück zu investieren, an dem sie auch nach der Hochzeit noch Freude haben.“
Im Laufe der Pandemie hat vor allem der Secondhand-Markt einen echten Aufschwung erlebt: Der 29-Milliarden-Markt soll sich laut der Einzelhandelsanalyse-Agentur GlobalData bis 2023 knapp verdoppeln. Kein Wunder also, dass Designer:innen und Brautgeschäftsinhaber:innen nach Möglichkeiten suchen, ihre Dienste zu erweitern, um Bräuten eine Wiederverwertung ihrer Kleider nach dem „Ich will“ zu ermöglichen. Das Brautmode-Label Pronovias zum Beispiel verkündete 2021 sein eigenes Änderungsschneiderei-Angebot; und das Secondhand-Abendgarderobe-Start-up Queenly hat sein Sortiment um Hochzeitskleidung erweitert.
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„Die Leute möchten heute mehr Möglichkeiten haben, ein [Hochzeitskleid] zu tragen und denken dabei immer nachhaltiger“, erklärt Christina Tung, Gründerin des Labels SVNR. „Es geht nicht mehr darum, ein Kleid einmal zu tragen und es dann einfach für immer im Schrank rumhängen zu lassen.“
Vom Weiterverkauf bis hin zur Neufärbung eines Hochzeitskleids: Hier sind einige Optionen, die Bräuten zur Auswahl stehen, um ihren Hochzeitskleidern nach der Trauung ein neues Leben zu schenken.
Verkauf das Kleid
„[Abendgarderobe] ist schon lange eine sehr altmodische Branche“, meint Kathy Zhou, Mitbegründerin von Queenly. Im Gegensatz zum traditionellen Luxus-Secondhand-Handel ist der Weiterverkauf eines Hochzeitskleids deutlich komplizierter. „Ich versuche mein Kleid zu verkaufen“, erzählt Kaileen Gaul-Suneson, die im September 2021 geheiratet hat. „Aber das Anprobieren in einem Brautgeschäft ist so ein großer Teil der Hochzeitsindustrie; ich glaube, viele Leute wünschen sich diese Erfahrung.“
Gaul überlegt, ihr Kleid auf Stillwhite zu verkaufen, einem Secondhand-Online-Service, der Marken wie Pronovias, Maggie Sottero und Galia Lahav führt. Manche der Kleider bekommst du schon für ein paar Dutzend Euro; andere wiederum kosten Zehntausende. Der Queenly-Mitbegründerin Tricia Bantigue gibt es ein tolles Gefühl, Bräuten Zugang zu Kleidern zu ermöglichen, die sie sich sonst nie hätten leisten können. „Die meisten Kleider bekommt man bei uns 20 bis 70 Prozent günstiger als im Einzelhandel. Ich möchte nie, dass jemandem der eigene Cinderella-Moment verwehrt bleibt, bloß weil er oder sie sich ihn nicht leisten kann.“
Und auch andere Secondhand-Plattformen haben ihre Abendgarderobe-Kategorien um Hochzeitskleider erweitert – inklusive TheRealReal, Poshmark und ASOS Marketplace. Natürlich bekommst du auch bei Vinted, eBay Kleinanzeigen und anderen Gebraucht-Plattformen preisgünstigere Brautmode, und selbstverständlich kannst du dein eigenes Kleid ebenfalls dort anbieten.
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Färb das Kleid um
Für Bräute, die ihre Kleider behalten und selbst weiterhin anziehen möchten, ist es eine beliebte Option geworden, es einfach umzufärben. 2021, als nach einer langen Corona-Party-Pause endlich wieder Hochzeiten stattfanden, meldeten sich mehrere Bräute bei Tung. Sie hatten einen bestimmten Wunsch: „Sie hatten Interesse am weißen Slipdress von SVNR und wollten wissen, ob sie es nach der Hochzeit bei uns einfärben lassen könnten.“ Da Seide einer der am leichtesten zu färbenden Stoffe ist, war das laut Tung ein unproblematischer Wunsch. Heute bietet sie den Umfärbe-Service für Bräute an, die ihr Brautkleid nach der Zeremonie umfärben lassen wollen.
Alexis Walsh hat dieselbe Idee für ihren Hochzeits-Look. Die Modedesignerin entwirft sich ein eigenes Outfit für den großen Tag und hat sich für Seide entschieden, um den Färbeprozess nach der Zeremonie zu vereinfachen. „Nach der Hochzeit werde ich es vermutlich in eine kräftige, dunkle Farbe umfärben – Dunkelblau zum Beispiel“, sagt sie. „Und dann habe ich einfach ein sehr hübsches, schlichtes, dunkelblaues Slipdress.“
Bräuten, die der lässige Look eines Seidenkleids nicht so gut gefällt, empfiehlt Tung, eine:n Expert:in für das Umfärben des jeweiligen Wunschstoffs zu finden. Das kann eine bestimmte Marke sein, vielleicht auch eine Stoffproduktionsfirma. Sie rät außerdem dazu, schon vor dem Kauf eines Kleids direkt vor Ort nachzufragen, ob die Brand oder der:die Designer:in einen Umfärbe-Service anbietet.
Lass das Kleid abändern
Obwohl sich viele Bräute aktuell für alltagstauglichere Braut-Looks entscheiden – wie Braut-Anzüge oder Minikleider –, wünschen sich einige doch immer noch die klassische Eleganz eines Prinzessinnenkleids. Inzwischen ist es weit verbreitet, dass sich Bräute diese Kleider nach der Hochzeit in einer Änderungsschneiderei kürzen lassen. Dieser Service wird aber mittlerweile auch von immer mehr Labels angeboten. Der Trend geht auch innerhalb der Industrie zur Nachhaltigkeit.
Die spanische Brautmarke Pronovias bietet beispielsweise zu jedem Brautkleidkauf ein kostenloses Kleid-Umstyling an. Der Vorgang ist simpel: Die Bräute entscheiden sich in den Läden oder online für eines der 50 verfügbaren „Second Life“-Modelle und bringen es nach der Hochzeit für maßgeschneiderte Änderungen vorbei.
Nach Jahrzehnten der „Einmal getragen“-Mentalität scheinen sich sowohl Bräute als auch Designer:innen von Brautmode immer mehr Vielseitigkeit und Alltagstauglichkeit zu wünschen. „Vielen Leuten sind die ganzen Optionen gar nicht bewusst“, sagt Tung. „Ich hoffe, das kommt noch.“
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