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Warum wir unter der Woche & schon immer früher feiern gehen

Dienstag. Ein lauer Sommerabend. Ich schlendere nach einem langen Arbeitstag nach Hause und habe kurz vor Ladenschluss noch ein paar Dinge wie Shampoo und Spülmittel in der Drogerie gekauft. Die S-Bahn-Fahrt in den heimischen Kiez zur Rush Hour zerrt an meinen letzten Kräften. Wie jeden Abend auf dem Heimweg, passiere ich auf den letzten Metern eine Barmeile, die sich in direkter Nähe zahlreicher Clubs der Stadt befindet.
Es ist brechend voll. Jeder Tisch ist bis auf den letzten Stuhl besetzt. Vor den Spätis bilden sich Menschentrauben. Ich frage mich, ob die munter trinkenden und lachenden Leute nicht auch so müde sind wie ich, die in diesem Moment nur noch im Sinn hat, in fünf Minuten endlich die letzte Hürde des Tages, nämlich die Treppe in den vierten Stock, hochzukraxseln.
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Das Kribbeln ist schon wieder da

Stattdessen sehe ich randvolle Bier- und Weingläser, höre Musik über die Bürgersteige schallen. Keine entspannte Musik zum Runterkommen, eher solche, die Lust auf mehr, auf Party macht. In den Gesichtern all der Menschen sehe ich, dass heute so schnell kein Ende in Sicht sein wird. Der Abend ist ja schließlich noch jung. Sie werden feiern gehen. Warum auch nicht? Immer mehr Clubs haben in einer Stadt wie Berlin, bestimmt auch anderswo, geöffnet.
Wenn ich mich in meinem berufstätigen Freundes- und Bekanntenkreis umschaue, dann fällt mir schon seit Längerem auf, dass es offenbar schwer angesagt ist unter der Woche „richtig" feiern zu gehen. Und zwar nicht erst am Donnerstag, so wie es mir aus Studentenzeiten bekannt ist (da musste man schließlich nur noch den Freitag überstehen) – nein, man geht schon dienstags aus. Da ist die Woche gerade einmal zwei Arbeitstage jung. Und trotzdem: Das Kribbeln ist offensichtlich schon wieder da.
Ich frage mich: Woran liegt das und was feiern wir da eigentlich ständig?

Zeit ist Geld...

Beginnen wir mit den Argumenten, die direkt auf der Hand liegen. Am Wochenende ist es voll. In den Stoßzeiten, also zwischen 1Uhr und 5 Uhr morgens, bilden sich fast überall lange Schlangen vor den Clubtüren. Im Ernst: Wer hat schon Lust eine oder mehrere Stunden auf den Einlass zu warten? Nichts ist nerviger, als durch ewiges Anstehen ausgebremst zu werden. Da es unter der Woche, also auch dienstags, tendenziell leerer als am Wochenende ist, muss man nicht lange vor dem Eingang des Clubs stehen oder auf begehrte Gästelistenplätze hoffen, sondern kommt im Idealfall direkt rein. Einmal drin, ist der Weg zur Bar frei. Kein nerviges Anstehen, kein Ausfahren der Ellenbogen im Gedrängel am Tresen. Herrlich! Noch ein Pluspunkt: Die Eintrittsgelder und Preise für Getränke sind unter Umständen humaner als am Wochenende gestaltet, denn da geht unter 15 Euro fast nichts mehr.
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Weniger Exzess?

Ein ebenso plausibler wie sinnvoller Grund, schon Anfang der Woche feiern zu gehen, könnte für viele sein, dass man sich in Anbetracht der noch bevorstehenden Arbeitstage automatisch mehr zügelt – etwa was den Alkoholkonsum angeht. Die Gefahr, dass der Abend „ausartet“ minimiert sich deutlich, denn man weiß, dass man morgens wieder einigermaßen fit sein muss. Frei nach dem Motto: Wer früh anfängt zu trinken, hört auch früher auf. So gesehen ist es durchaus möglich, den Absprung bereits um 2 oder 3 Uhr zu schaffen. Der Vorteil: Wer nicht so exzessiv gefeiert hat, ist am nächsten Tag arbeitsfähig. Und mal ehrlich, wer fühlt sich nicht besser, wenn man trotz Hangover wenigstens ein bisschen produktiv war?

Das Wir-Gefühl

Wer arbeitet, braucht Ausgleich. Während manche Menschen Sport treiben oder ein gutes Buch lesen, um zu entspannen, ziehen andere die Gesellschaft von Freunden vor und lieben es unter Leute zu gehen. In netter Runde in einer Bar zu versacken oder aber weiter in die Clubs zu ziehen, ist ja per se etwas Geselliges. Zusammen Spaß haben, sich treiben lassen, aber auch neue Menschen kennenzulernen – auch das kann Entspannung bedeuten. Ausgehen gleicht einem Kontrastprogramm, um die manchmal graue und immer wieder gleiche Alltagsroutine zu durchbrechen. Beim Feiern denkt man nicht an das, was morgen ist, sondern lebt im Hier und Jetzt, konzentriert sich auf die Musik, auf Gespräche. Einen Club zu betreten hat immer wieder etwas Feierliches. Man checkt aus wer da ist, wen man kennt, was heute so geht. Dienstags ist die Wahrscheinlichkeit, Bekannte zu treffen zudem höher als am Wochenende. Man feiert eben doch intimer.
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Die Rastlosen

Auch all denjenigen, die am Wochenende unterwegs waren, aber schon am zweiten Tag der Woche wieder nervös werden, Angst haben etwas zu verpassen und einen starken Drang verspüren feiern zu gehen, spielt der Dienstag in die Karten. Denn die Möglichkeit richtig aufzudrehen und bis früh in die Morgenstunden zu lauten Beats zu tanzen, ist real. Auch wenn dienstags weniger los ist – ein paar Hundert Leute, die irgendwo die Nacht zum Tag machen, finden sich immer. Wer wirklich will, kann in Berlin und mittlerweile auch anderen Städten an sieben Tagen in der Woche feiern gehen, sich von einer After Hour zur nächsten hangeln.
Ich frage mich nur: Wer sind diese Menschen, die offenbar am kommenden Morgen nicht aufstehen müssen? Touristen, DJs, echte Berliner? Womöglich eine Mischung aus allen. Fakt ist, dass das Bedürfnis schon Anfang der Woche feiern zu gehen, da ist. Warum sonst sollten die Clubs am Dienstag ihre Türen öffnen?! Eigentlich ist es auch egal aus welchen Gründen wir da ständig irgendetwas feiern, solange wir uns nur gut dabei fühlen. Für die einen ist es wesentlich entspannter, den Drang auszugehen schon frühzeitig unter der Woche zu stillen und das Wochenende dafür anders und produktiver zu nutzen. Für die anderen geht es am Donnerstag, Freitag oder Samstag von vorne los. Hauptsache ist doch, dass wir uns gut dabei fühlen und unser individuelles Maß finden.
Nächsten Dienstag, wenn ich nach einem langen Arbeitstag nach Hause schlendere, kurz vor Ladenschluss noch ein paar Besorgungen erledige und die S-Bahn-Fahrt in den heimischen Kiez mir die letzte Kraft raubt, werde ich dem Dienstag vielleicht eine neue Chance geben. Denn er hat Potenzial – so der so!

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