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Was ich mal sagen wollte: Sprache schafft Wirklichkeit

Dieser Artikel erschien zuerst bei im gegenteil!
Ich habe noch nie so viel über Sprache nachgedacht wie in den letzten zwölf Monaten. Natürlich beschäftigte ich mich auch schon vorher berufs- und studienbedingt mit Sprache. Aber auch ich war mein Leben lang blind für sehr viele Dinge. Vor allem für die vielen Diskriminierungen, die sich noch immer in unserer Sprache verbergen.
Je mehr ich mich informiert habe und je mehr mich Menschen aufgeklärt haben, desto sicherer wusste ich: Wir brauchen eine politisch korrekte Sprache. Damit meine ich eine Sprache, die nicht diskriminiert und herabwürdigt – also nicht sexistisch und nicht rassistisch ist. Warum Schokoküsse heute Schokoküsse heißen, dürfte den meisten Menschen einleuchten, aber es gibt noch so viele weitere No-Gos in unserer Sprache – viel mehr, als ich je dachte.
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" Es wäre schön, wenn wir Bewusstsein dafür entwickelten, was Sprache bewirken oder auch anrichten kann. "

Es wäre schön, wenn die Mehrheit, die Nicht-Diskriminierten, ein Bewusstsein dafür entwickelten, was Sprache bewirken oder auch anrichten kann. Das musste ich auch tun, denn von vielen Diskriminierungen bin ich nicht betroffen und war mir ihrer nicht bewusst. Aber selbst die Tatsache, dass es deutlich mehr Beleidigungen für Frauen bzw. ihr Geschlecht gibt als für Männer, war mir lange nicht klar, obwohl ich selbst eine Frau bin.
Oft kommt ein lauter Aufschrei beim Begriff der „politischen Korrektheit“. Doch worin genau besteht der Vorwurf? In Deutschland wird dieser in den USA entstandene Ausdruck seit Anfang der 1990er-Jahre hauptsächlich zur Diskreditierung von Menschen verwendet, die sich gegen sprachliche Diskriminierung engagieren. Es wird häufig als Argument angeführt, dass sie nicht nur literarische Traditionen, sondern alle herkömmlichen Bräuche zerstören wollen würden.
Die deutsche Sprache insgesamt gerate dabei vollkommen aus den Fugen und zudem störe es die Kommunikation. Manche gehen sogar so weit und sagen, politisch korrekte Sprache sei eine Zensur oder Einschränkung der Meinungsfreiheit. Es geht aber darum, wie und nicht ob eine Meinung geäußert werden kann. Und das ist ein immenser Unterschied. Nicht der Inhalt, sondern die Form wird kritisiert.

" Einfühlsame Kommunikation ist auch immer eine Frage der Moral. "

Einfühlsame Kommunikation ist auch immer eine Frage der Moral. Sprachliche Ausdrucksformen können nach moralischen Aspekten bewertet werden – wie menschliches Handeln auch. Niemand möchte (sprachlich) diskriminiert werden, deshalb dürfen wir auch andere nicht diskriminieren. Das sollte eigentlich recht offensichtlich sein.
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Oft wird gesagt, etwas sei „ja nicht so gemeint“ gewesen oder es würde vom Sprecher oder der Sprecherin nicht als diskriminierend aufgefasst. Es müsse doch reichen, wenn man sich denken kann, was gemeint ist. Aber das reicht eben nicht und man kann sich dessen auch nie sicher sein.
Ein hitzig debattiertes Beispiel dafür ist auch das generische Maskulinum. Es versteckt Frauen systematisch und legt ihnen nicht nur in Einzelfällen die Bürde auf, darüber nachzudenken, ob sie im konkreten Fall auch gemeint sind. Deswegen habe ich mich fürs Gendern entschieden. Ich persönlich mache das mit *, genderneutralen Begriffen oder Nennung der weiblichen und männlichen Form.
Es gibt aber noch viele andere Möglichkeiten. Eine gängige, allgemein gültige Methode, mit der alle zufrieden sind, gibt es noch nicht. Und auch mir selbst fällt es oft noch schwer, vor allem in der gesprochenen Sprache, immer richtig zu gendern.

" Ich denke, es ist wichtig, dass wir uns auch eingestehen, dass wir nicht immer wissen, wie man sich richtig ausdrückt. "

Auch ich weiß nicht alles. Aber ich denke, es ist wichtig, dass wir uns auch eingestehen, dass wir nicht immer wissen, wie man sich richtig ausdrückt. Das ist der Anfang der Auseinandersetzung damit und signalisiert, dass es uns nicht egal ist, wie unsere Worte beim Gegenüber ankommen.
Denn wir müssen leider realisieren: Unsere Sprache ist in ihrem bisherigen Gebrauch nicht auf Gleichberechtigung ausgelegt gewesen. Im Deutschen herrscht ein großes Ungleichgewicht bezüglich des abwertenden Wortschatzes zur Bezeichnung von diskriminierten Gruppen (Minderheiten) und nicht-diskriminierten Gruppen.
Mit diesem Wissen im Hinterkopf können wir schon heute etwas für die Zukunft bewirken, indem wir ändern, wie wir sprechen. Indem wir zuhören, wenn andere Menschengruppen uns sagen, wie sie gerne bezeichnet werden wollen und was sie kränkt. Wir können realisieren: Sprache schafft Wirklichkeit. Und wir können jetzt damit beginnen, diese Wirklichkeit mit Hilfe der Sprache in Zukunft gerechter zu gestalten.

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