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Warum ich schon nach einem Monat Mutterschutz wieder arbeiten gehen wollte

Illustration: Louisa Cannell.
„Es muss dich fertig machen, ihn so früh zu verlassen.“
„Du zählst bestimmt die Minuten, bis du ihn wiedersiehst.“
„Bist du dir sicher, dass es sich nicht negativ auf seine Entwicklung auswirkt, wenn du nur so wenig Zeit mit ihm verbringst?“
Ich garantiere euch, das sind keine Sätze, die mein Mann jemals gehört hat. Erst recht nicht, als er nach der Geburt unseres Sohnes wieder zur Arbeit zurückkehrte. Es sind allerdings drei von sehr, sehr vielen Sätzen, die ich mir anhören musste, als ich einen Monat nach der Geburt wieder ins Büro kam.
Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass meine Entscheidungen als Mutter jemals kontrovers gefunden würden, weil mich sowohl meine leibliche als auch meine Schwiegermutter sehr geprägt haben, jede auf ihre ganz eigene Art und Weise. Meine leibliche Mutter ist Anwältin und war schon immer mein Vorbild. Sie hat hart gearbeitet und ihre beruflichen Ziele nie aus den Augen verloren. Gleichzeitig war sie voller Hingabe an meinem Leben beteiligt – nach einem Krankenhausaufenthalt in einer anderen Stadt rappelte sie sich auf und flog nach Hause, um bei meiner Theateraufführung dabei zu sein.
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Meine Schwiegermutter ist dagegen am anderen Ende des Spektrums angelegt: Sie gab ihre Karriere auf, als sie Kinder bekam, und kümmerte sich fortan nur noch um meinen Mann und seine Schwester. Ich glaube, dass beide Frauen großartige Mütter sind, ganz einfach weil sie ihre Entscheidungen selbstständig und aus eigenem Willen heraus getroffen haben und damit zufrieden waren. Das sind also die Perspektiven, aus denen ich das Muttersein kennengelernt habe.
Bisher liebe ich auch mein eigenes Dasein als Mutter. Aber ich werde auch keinen Hehl daraus machen, dass ich auch schon vor der Geburt meines Sohnes ein voll ausgereiftes, selbst- und vor allem vollständiges Individuum war. Ich habe Interessen, Hobbies und eine Karriere, für die ich viel Aufwand betrieben habe. Wenn du schwanger wirst, sagen dir die meisten Leute, dass sich alles verändern wird – das sollte allerdings niemals bedeuten, dass alles, was davor im Leben einer Frau passiert ist, ungültig gemacht wird. Aber es fühlt sich manchmal so an, als würde die Gesellschaft plötzlich alles andere negieren, was man jemals auf die Beine gestellt hat, wenn man einen kleinen Menschen zur Welt bringt. Für mich bringt es allerdings die Autorin Adrienne LaFrance ganz gut auf den Punkt: Muttersein ist, als würdest du „einen neuen Raum entdecken in einem Haus, in dem du schon längst lebst.“ Klar, da ist etwas Neues und Aufregendes passiert, aber alles andere, was du dir die Jahre zuvor schon aufgebaut hast, steht immer noch.
Und hier kommt der Part, den nicht alle Frauen verstehen werden: Für manche ist die Zeit mit einem Neugeborenen himmlisch, eine nie dagewesene Erfüllung. Für andere eher nicht so. Und wer sich von dem Zyklus aus Schlafen, Weinen, Windel wechseln und Füttern eben nicht ganz so euphorisiert fühlt, kann es vielleicht kaum erwarten, mal einen babyfreien Tag zu verbringen oder – Gott bewahre – arbeiten zu gehen.
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Mich frisch geduscht ins Auto zu setzen und zur Arbeit zu fahren, mal wieder stundenlang nur unter Erwachsenen zu sein – dieser erste Tag zurück im Büro war grandios! Meinem Sohn ging es übrigens an diesem Tag großartig. Mit fünf Wochen kann ein Kind gerade mal realisieren, dass es eine Nase im Gesicht hat. Wer genau es dann im Arm hält, ist vorläufig erst mal egal. Es ging ihm wirklich gut. Und mir ging es gut! Trotz der schockierten Reaktionen meiner Mitmenschen, die scheinbar nicht verarbeiten konnten, dass ich mich so früh von meinem Kind trennen und arbeiten wollte, meine Mutterrolle aber trotzdem genoss.
Es ist schön, dass es den Mutterschutz gibt. Es ist sogar bitternötig, dass es ihn gibt. Und es ist noch viel notwendiger, dass Müttern der Wiedereinstieg in die Arbeitswelt erleichtert wird. Aber es muss auch möglich sein, die Schnauze voll vom Mutterschutz zu haben, ohne als Rabenmutter zu gelten. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft mir die Leute vorwurfsvolle Blicke zugeworfen haben – vorrangig Frauen. Aber es schien so, als hätte ich das Memo verpasst, in dem stand, dass Muttersein auch bedeutete, meine eigene Entscheidungskraft abgelegt zu haben. Wer hat denn jemals verbreitet, dass ich keinen Einfluss mehr auf mein Kind haben kann, wenn ich es sechs bis acht Stunden am Tag nicht sehe? Ich dachte immer, die Verurteilung unter Müttern wäre ein überholter Mythos, bis ich selbst zum Opfer wurde. Wie kann es sein, dass Mütter einerseits zum Wiedereinstieg ins Berufsleben ermutigt werden sollen, gleichzeitig aber Frauen stigmatisiert werden, die den Mutterschutz frühzeitig beenden wollen?
Themen wie Mutterschutz, Elternzeit, Wiedereinstieg und Work-Life-Balance sind allgemein wichtige Themen. Ebenso wie wir der Familienplanung entgegenkommen können. Es ist mir auch durchaus bewusst, dass ich mich in einer unglaublich privilegierten Position befinde, mir die Rückkehr zur Arbeit aussuchen zu können. Für viele Frauen ist das frühzeitige Zurückkehren die einzige Option, den Job langfristig nicht zu verlieren, weil man so aus der Routine kommt oder der Führungsetage vom Radar fällt. Allerdings müssen wir im selben Zug auch überdenken, was Muttersein für uns als Gesellschaft bedeutet, und dass es nicht „das eine richtige Mutterbild“ gibt, an dem jede Frau gemessen wird.
Wie und wann ich mein Kind erziehe, ist immer noch ein intimes Thema zwischen mir, meinem Mann und unserem Sohn.

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