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Scheitern als Chance: Wieso eine Kündigung das Beste war, was mir passieren konnte

Foto: Nicolas Bloise
„Sophia, kannst du morgen bitte eine halbe Stunde früher ins Büro kommen?“ Als ich die Nachricht meines damaligen Chefs las, wurde mir ganz anders. Heiße und kalte Schauer liefen mir den Rücken hinunter und ich wusste einfach, dass ich am nächsten Morgen meinen Job verlieren würde. Woher ich das so genau wusste? Nun ja, ich verkroch mich bereits seit Monaten jeden Tag auf dem Klo und weinte dort eine Weile vor mich hin, weil ich so unglücklich in meinem Job war und wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, dann war ich auch einfach nicht gut. Ich war unmotiviert und machte viele Fehler, war immer schlecht drauf und ließ mir von meinen Vorgesetzten kaum etwas sagen. Vielleicht hatte ich es unterbewusst ja sogar drauf angelegt, gefeuert zu werden, die Kündigung an besagtem Morgen traf mich trotzdem völlig unvermittelt. Ich weinte. Bitterlich. Als ich heulend das Büro verließ, trafen die ersten Kolleg*innen (jetzt dann also Ex-Kolleg*innen) ein und als ich kurz im Vorbeigehen sagte, was gerade passiert ist, fingen zwei an zu weinen. Es war dramatisch, nicht nur für mich. Ich fuhr direkt zu meinem damaligen Freund, weinte ihn etwas an und dann gingen wir los, um mir einen Laptop zu kaufen. Ich hatte zwar keine Ahnung, was ich jetzt machen sollte, aber irgendwie schien das der logische nächste Schritt zu sein. Zwei Stunden später lag ich wieder in seinem Bett, weinte noch mal, war jetzt aber Besitzerin eines sehr leeren Kontos und eines neuen Laptops. Die Welt war voller Türen, hinter denen sich lauter neue Chancen verbargen, ich musste nur irgendwie die Kraft aufwinden, diese Türen zu öffnen.
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Kurz verlaufen
Es gibt dieses Märchen, das gerade uns Millennials gerne erzählt wurde, dass wir angeblich alles schaffen können, wenn wir nur wollen. Fakt ist allerdings, dass unser Werdegang ziemlich vorbestimmt ist, zwar nicht so sehr wie vor 100 Jahren, aber dennoch: Faktoren wie Herkunft, Race, Geschlecht und sogar der Familienname bestimmen oftmals, welchen Weg wir einschlagen. Unsere Eltern leben uns einen bestimmten Lebensstil vor, an dem wir uns oftmals, wenn auch nicht immer, automatisch orientieren, denn das ist die Art von Realität, die wir gelernt haben. Das passiert unterbewusst und auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, haben wir ihre Werte meist dennoch tief verankert. Ich komme aus gutbürgerlichem Hause, vom Land, in dem Sicherheit und ein geregeltes leben sehr groß geschrieben wurden. Mein Wunsch, doch etwas Kreatives zu machen, stieß nicht auf Applaus. Stattdessen wurde mir nahegelegt, doch lieber was mit Biologie zu machen. Ich studierte dann Gesellschaftswissenschaften, denn das war das höchste Maß an Rebellion, das ich mir zutraute. Später arbeitete ich im Bereich Marketing, das ist ja irgendwie kreativ, aber eben doch alles ganz geregelt mit festen Jobs und so. Ich war also sicher. Was ich allerdings nicht war: glücklich. Was ich allerdings war: zu feige, wirklich etwas daran zu ändern. Also schlängelte ich mich von Job zu Job und wurde immer depressiver.
Kurz eingemuckelt
Es ist leider viel zu oft so, dass wir – und ich zähle mich hier ganz bewusst mit dazu – viel zu oft den sicheren Weg wählen und uns mit einer Sache arrangieren, die wir eigentlich gar nicht mal so gut finden. Das trifft auf Beziehungen zu, erschreckend oft auf unsere Outfits und auch aufs Arbeitsleben. Die Träume werden dann eben nur geträumt und nicht gelebt, heißen ja schließlich auch Träume, also was soll's. So muckeln wir uns ein, in einem Leben, das uns nicht glücklich macht oder nicht unseren Interessen oder Talenten entspricht. Manche machen das, weil sie es nicht anders gelernt haben und man das eben so macht, andere haben vielleicht Verantwortung für eine Familie und können es sich schlichtweg nicht leisten ein Risiko einzugehen. Da ich weder Familie habe, noch irgendwie eingeschränkt bin, kann ich hier also nur darüber schreiben, wie ein Neuanfang aussehen kann, wenn Angst die größte Hürde ist, die es zu überwinden gilt.
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Kurz neu anfangen
Gefeuert zu werden fühlt sich wirklich nicht gut an. Es knackst gewaltig am Ego, schließlich will da jemand nicht mit dir arbeiten, wie demütigend. Zum ziemlich niederschmetternden Gefühl, abgewiesen worden zu sein, kommen noch Existenzängste hinzu, die einen ganz schön lähmen können. Was mache ich jetzt mit meinem Leben? Suche ich mir einen neuen Job oder mache ich mich selbstständig? Was zum Teufel will ich überhaupt vom Leben? Sollte ich vielleicht sogar noch mal ganz neu anfangen und studieren? Durch die Kündigung wird dir die Bedenkzeit abgenommen und du kannst dich plötzlich nicht mehr hinter irgendwelchen Sicherheiten verstecken. Das angeblich so gut funktionierende Leben, in dem du dich mehr oder weniger eingerichtet hast, hat plötzlich Risse bekommen und funktioniert doch nicht mehr. Es ist fast so, als hätte jemand den Reset-Knopf gedrückt und nun befindest du dich in einer Art Schwebezustand, der dich einerseits überfordert, der andererseits aber auch eine große Chance sein kann. Ich persönlich hatte plötzlich Zeit mir zu überlegen, was ich eigentlich mit meinem Leben machen wollte. Das war natürlich nur möglich, weil ich Arbeitslosengeld 1 bekam, was mir genügend Zeit verschaffte, mich neu zu orientieren. Ich beschloss, mein Leben grundlegend zu ändern, fing eine Therapie an, kratzte meine nun wirklich allerallerallerletzten Ersparnisse zusammen und kaufte mir eine gebrauchte Kamera. Es dauerte ungefähr sechs Monate, bis ich eine ungefähre Vorstellung davon hatte, was ich machen wollte und mich dann voller Motivation in die neuen Aufgaben stürzte.
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Kurz einen Plan erstellen
Ich überlegte mir zu allererst einmal, was ich genau wollte. Wo will ich in drei Jahren sein? Wo in fünf und wo in zehn Jahren? Welches Können muss ich mir noch aneignen, um diese Ziele erreichen zu können und welches Equipment brauche ich dafür? Da ich quasi bei Null anfing, beschloss ich, in Etappen vorzugehen, damit ich überhaupt anfangen konnte, schließlich ist Equipment teuer und ich hatte so gut wie gar kein Geld. Es ist außerdem wichtig, sich nicht zu überfordern, denn Überforderung bremst dich nur aus. Mein Ziel war es, irgendwann als Content Creator selbstständig zu sein, gut davon leben zu können und um die Welt zu reisen. Meinen Fokus setzte ich auf Fotografie und Schreiben. Es gibt diverse Möglichkeiten, sich eine Gründung fördern zu lassen, Informationen darüber bekommst du bei der Agentur für Arbeit oder der Industrie- und Handelskammer. Es dauert etwas, bis man sich durch all die Informationen und Möglichkeiten durchgewurschtelt hat, aber bleib' dran! Ich probierte viele Dinge aus, einige funktionierten, andere musste ich aufgeben, andere wiederum pausieren. Mein erstes großes Projekt scheiterte, aber das war okay. Ich gab mir drei Jahre, in denen ich alles lernen wollte, was ich erst einmal für diesen Beruf wissen muss und in denen ich mir einen Kundenstamm aufbauen wollte.
Kurz glücklich sein
Ich weine nicht mehr bei der Arbeit und ich zähle auch nicht mehr die Minuten bis zum Feierabend. Die ständige Existenzangst geht zwar nie ganz weg, aber ich habe gelernt, mit ihr zu leben. Wenn mich jemand fragt, was ich beruflich mache, erzähle ich voller Stolz von meiner Arbeit. Selbst ein paar Tiefschläge konnten mich nicht aus der Bahn werfen, denn ich wusste, dass diese einfach zur Lernkurve dazugehörten. Obwohl ich jetzt wieder eine Mitbewohnerin habe und ein weniger luxuriöseres Leben lebe als noch zu Zeiten meiner Festanstellung, bin ich zu 100 Prozent glücklicher. Ich habe ein Ziel vor Augen und verfolge es in meinem Tempo mit meinen Methoden und das ist etwas Wunderbares und mehr wert als jeder dicke Gehaltscheck.

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