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Was es für mich bedeutet, mich in Pixars Rot wiederzuerkennen

Foto: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Disney/Pixar.
In meiner Kindheit war ich daran gewöhnt, mich nie im Fernsehen vertreten zu sehen. In Filmen, TV-Sendungen und Musikvideos sahen die Heldinnen – die Mädchen, die alle Jungs wollten – immer wie Hilary Duff, Britney, Christina oder Melissa Joan Hart aus Sabrina – Total Verhext! aus. Ihr blondes Haar und ihre blauen Augen hatten nichts mit meinem Äußeren zu tun. Deshalb erwartete ich auch nie, jemanden in einer Hauptrolle oder als romantisch begehrenswert zu sehen, die so aussah wie ich. Bis vor Kurzem schenkte ich diesem Thema auch nicht allzu große Beachtung.
Viele Jahre später, als ich den ersten Animationsfilm von Pixar sah, in dem die Hauptfigur asiatisch ist, erkannte ich mich auf der Leinwand wieder – und das zum gefühlt ersten Mal in meinem Leben. In der Dunkelheit – ich war vor Freude ganz aus dem Häuschen – lachte und weinte ich zugleich und erkannte, was mir die ganze Zeit über gefehlt hatte.
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In Domee Shis Rot ist die chinesisch-kanadische Mei auf der Leinwand zu sehen. Sie ist ein selbstbewusstes, herausragendes 13-jähriges Mädchen, das im Toronto der frühen Nullerjahre aufwächst. Mit einem Tamagotchi, das an ihrem Rucksack befestigt ist und einer Klarinette in der Hand sagt sie: „Ich trage, was ich will, und sage, was ich will, und das jeden Tag, das ganze Jahr über.“ Sie bringt alle gegensätzlichen Facetten ihres Lebens nahtlos unter einen Hut: Mit ihren Freundinnen kreischt sie, wann immer es um Boybands geht, sie ist eine ausgezeichnete Schülerin und leitet als perfekte pflichtbewusste Tochter einen Tempel mit ihrer Familie. Eines Tages aber, nachdem sie von ihrer strengen Mutter Ming vor dem Jungen, den sie mag, blamiert wird, wacht sie auf und stellt fest, dass sie sich in einen riesigen roten Panda verwandelt hat, der für Verwüstung sorgt. Sie kann in die menschliche Form zurückkehren, wenn sie ihre Emotionen unter Kontrolle hat, aber wenn sie sich aufregt, in Panik gerät oder wütend wird, verwandelt sie sich – simsalabim! – wieder in einen Panda.
Ich konnte meinen eigenen Augen nicht glauben. Die Ähnlichkeiten zwischen uns erstaunten mich. In den Nullerjahren war ich auch ein Teenager, trug eine Brille und besaß ein Tamagotchi (namens Rex). Mein zweiter Vorname ist Mei. Ich hatte zwar keine Klarinette, dafür spielte ich aber extrem gut Geige und meine Noten waren tadellos. Genau wie Mei war ich scharf auf Popsänger mit längerem Haar und malte Zeichnungen von meinen Schwärmen. Unsere Parallelen enden aber nicht an dieser Stelle.
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Was ich auch gut nachvollziehen konnte, war, mich aufgrund meiner britisch-malaysischen Identität in zwei Teile gerissen zu fühlen. Das bedeutete, dass ich mir die meiste Zeit des Jahres in London Gedanken über typische Teenager-Dinge wie Jungs, Bands und meine Kleiderwahl machte. Meine Sommer verbrachte ich bei tropischen Temperaturen in Kuching mit meinen Tanten und Onkeln und meiner Großmutter, die Buddhismus praktizierten. Beim Sonnenbaden in Jeansshorts und mit einem Walkman an der Hüfte, aus dem Backstreet Boys und O-Town ertönten, wurde ich von meinen Verwandten liebevoll als „wildes Kind“ geneckt, während ich in London als übermäßig fleißig galt; eine Einser-Streberin, wenn du so willst.
Foto: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Maybelle Morgan.
Maybelle and her mum
Zu Hause setzte meine Mutter mich und meinen Bruder in Sachen Schule heftig unter Druck. Wir wurden daran erinnert, dass wir uns doppelt so sehr anstrengen mussten wie andere Kinder, um uns zu beweisen. Wenn ich darum bettelte, in meiner Freizeit auf Partys oder mit Freund:innen in den Park gehen zu dürfen, gab es ein widerhallendes Nein von ihr. Wie Meis stockkonservative Mutter Ming fürchtete auch meine eigene Mutter, dass ich auf zerstörerische Weise vom Weg zum Erfolg abkommen würde, den sie so mühsam für mich geebnet hatte, wenn sie die Zügel auch nur ein bisschen lockerte.
Obwohl ich mich nie in einen großen roten Panda verwandelte, konnte ich Meis Frustration sehr gut nachvollziehen: Auch ich hatte damals das Gefühl, etwas zu verpassen, und machte mir Sorgen darüber, ob andere mich für seltsam hielten. Alles, was ich wollte, war es, ein chaotischer Teenager zu sein, und genau wie Mei zog ich mich umso mehr zurück, je mehr Druck meine Mutter auf mich ausübte und sich in mein Leben einmischte. Ich war auf zweifache Weise gebunden – eine Erfahrung, die viele Kinder von Einwanderer:innen nachvollziehen können: Wir kämpfen ständig mit unseren Eltern um etwas mehr Freiheit, damit wir weniger auffallen, und halten gleichzeitig an der Tradition fest, damit wir unsere Wurzeln nicht vergessen. Als ich den Film Rot sah, war ich nach all den Jahren aber traurig darüber, wie sehr ich mich gegen meine Mutter aufgelehnt und ihre Absichten missverstanden hatte. Sie war nicht streng, um vor all unseren Verwandten zu Hause mit mir als ihre perfekte Tochter prahlen zu können; sie wollte dafür sorgen, dass ich erfolgreich werde, weil sie wusste, dass die Welt ein feindseliger Ort sein kann und Leute, die aussehen wie ich, benachteiligt sind.
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Foto: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Disney/Pixar.
Da es sich bei Rot um einen Pixar-Film handelt, wird Rassismus nie direkt gezeigt. Es gibt aber eine Szene, in der ein Kind Mei zuruft: „Geh zurück zu deiner Psycho-Mama und deinem gruseligen Tempel, du Freak!“ Als sich Mei daraufhin wütend in ihr Panda-Selbst verwandelt, spürte ich, wie es mir vor Wut meine Kehle zuschnürte – diese Szene war mir nur allzu vertraut. Da ich mich so sehr darum bemüht habe, nicht als „anders“ angesehen zu werden, weiß ich, dass sich solch verletzende Worte in Form von Selbsthass festsetzen und diese negative Selbstwahrnehmung verschlimmern können. Ich sah, wie Meis Freund:innen ihr zu Hilfe eilten. Das erinnerte mich daran, wie meine eigenen Freund:innen jeder Person, die es wagte, mich auf der Straße zu beschimpfen oder sogar – wie in einem Fall – anzuspucken, mit einer Flut einfallsreicher, garstiger und brillanter Schimpfwörter überhäuften, die wahrscheinlich ein wenig zu erwachsen für 13-Jährige waren. Meine eigene Mutter übte sich in stillem Widerstand gegenüber Vorurteilen und überwand Feindseligkeit mithilfe ihrer harten Arbeit und ihres Erfolgs. Irgendwann lernte ich dieselbe Lektion: Wenn du dich von deiner Wut überwältigen lässt, wirst du früher oder später zu jemandem, der:die du gar nicht bist. Ich lernte, dass du zwar nicht kontrollieren kannst, was dir widerfährt, du aber sehr wohl einen Einfluss darauf hast, wie du auf deine Umstände reagierst.
Foto: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Maybelle Morgan
Ich hätte nie gedacht, dass eine Pixar-Zeichentrickfigur das sein würde, was ich immer benötigt hatte, und auch nicht, wie sehr ich sie gerade jetzt, in dieser Phase meines Lebens, brauchen würde. Als ich sah, wie stolz Mei, die sich an der Schwelle zur Pubertät befindet, auf ihre Identität ist, ihre innere Zerrissenheit bekämpft und ihre komplizierte Beziehung zu ihrer Mutter meistert – die mich so sehr an meine eigene wunderbare, superstarke Mutter erinnerte –, war ich ebenfalls von Stolz erfüllt. Das spielt vor allem angesichts der verstärkten anti-asiatischen Stimmung und der Gewalttaten während der Pandemie eine große Rolle. Ich habe etwas länger gebraucht als Mei (ich bin inzwischen erwachsen), aber ich lerne, all diese gegensätzlichen Seiten in mir zuzulassen, die sich mosaikartig überlagern. Mehr denn je bin ich jetzt stolz darauf, woher ich komme und wie ich aussehe.
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Foto: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Disney/Pixar.
Es ist schon komisch. Wenn jede:r im Fernsehen so aussieht wie du selbst, bist du in der Lage, dich in allen Figuren in den Medien wiederzuerkennen. Wenn das aber nicht der Fall ist, klammert sich die Person in Frage an alles, wodurch sie sich vertreten fühlt. Die Tatsache, sich in welcher Form auch immer repräsentiert zu sehen, trägt ohne Zweifel dazu bei, den eigenen Platz in der Welt zu verstehen. Repräsentation bestätigt, dass du existierst und akzeptiert wirst. Da Hollywood in letzter Zeit Fortschritte in Sachen Vielfalt gemacht hat, konnte ich verschiedene Darstellungen von „mir“ in den Medien sehen, was mich jedes Mal sehr rührte. Es ist nicht so, dass ich mich für eine verrückte reiche Asiatin, einen unsterblichen Mann mit Superkräften oder einen riesigen roten Panda halte. Was ich stattdessen sehe, ist, dass mein Leben üppig ist. Ich bin liebenswert, stark und geduldig – machtvoll über alle Maßen.
Rot gibt es seit dem 11. März bei Disney+ zu sehen.

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