Schlafen wir zusammen oder getrennt? Im 21. Jahrhundert stellen sich viele Paare diese Frage. Obwohl es für viele Ehepaare zwischen den 1850ern und den 1950ern völlig normal war, in getrennten Einzelbetten zu schlafen, galt das ab Mitte der 1950er als Anzeichen einer dem Tode geweihten Beziehung. Doch kommt jeder Trend irgendwann wieder (hi, Hüftjeans), und aktuell entdecken immer mehr Paare das getrennte Schlafen für sich. Konkrete Zahlen aus Deutschland gibt es dazu nicht; in den USA haben Umfragen aber ergeben, dass rund jedes vierte Paar in getrennten Betten schläft. Warum? Und wie wirkt sich das auf eine Beziehung aus? Wir haben mit vier Paaren über diese Entscheidung gesprochen.
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Ruth, 27, sie/ihr & Edward, 27, er/ihm
Ruth weiß, dass sie sich glücklich schätzen kann – sowohl mit ihrem Partner Edward, den sie als tolles Hunde-Herrchen, ihren besten Freund und unglaublichen Anwalt beschreibt, als auch mit ihrer gemeinsamen Wohnung. Die beiden haben eine 3-Zimmer-Wohnung und somit genug Platz, um jeweils ein eigenes Schlafzimmer zu haben.
Ruth und Edward lernten sich in der Schule kennen. Als sich aus ihrer Freundschaft aber eine romantische Beziehung entwickelte, kam diese mit einem Haken: Edward würde bald nach Hongkong ziehen. Die beiden führten daraufhin drei Jahre lang eine Fernbeziehung. Seitdem sind sechs Jahren vergangen, und mittlerweile leben sie mit einem gemeinsamen Hund in einer Wohnung. Wenn du aber denkst, sie würden durch die jahrelange Entfernung von Tausenden von Kilometern heute keine Zeit mehr voneinander getrennt verbringen wollen, liegst du falsch. „So sehr wir es lieben, zusammen Zeit zu verbringen, schätzen wir beide unseren persönlichen Freiraum“, meint Ruth. „Wir kuscheln morgens oder vor dem Schlafengehen, bevor wir uns in unsere getrennten Zimmer zurückziehen.“
Dadurch ist die Zeit, die die beiden zusammen verbringen, eine bewusste Entscheidung. Für sie ist das das Erfolgsrezept ihrer gesunden Beziehung, das sie aber gern mit anderen teilen. „Wenn uns andere Paare um Rat dazu bitten, wie man am besten zusammen wohnt, erzählen wie immer, wie wichtig es ist, getrennte Räume zu haben“, sagt Edward.
Morgan, 28, sie/they & Kayla, 29, sie/ihr
Morgan und Kayla sind seit sieben Jahren zusammen und haben während dieser Zeit nur ein paar Monate nicht zusammen gelebt („Wir sind das lesbische Klischee: direkt zusammengezogen“, lacht Morgan). Nach mehreren Jahren des Couchsurfing und der Mietwohnungen kauften sie sich 2021 ein gemeinsames Haus, inklusive Arbeitszimmern für beide. Manche Nächte verbringt Morgan, die für eine Airline arbeitet, auf dem Sofa im Wohn- oder Arbeitszimmer. In anderen Nächten schläft sie mit Kayla in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer, macht sich dann aber immer Sorgen darüber, dass ihre ungewöhnlichen Arbeitszeiten Kaylas Schlaf stören könnten. An manchen Tagen muss sie nämlich um 2:30 Uhr aufstehen; an anderen wiederum geht sie erst um diese Zeit schlafen. „Ich hasse es, sie aufzuwecken“, meint Morgan. „Ihr macht es nichts aus, aber ich habe es immer genossen, alleine zu schlafen und den Freiraum zu haben, mich alleine entspannen zu können.“
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Noch dazu ist ihr Schlafzimmer zu klein für ein sehr großes Doppelbett, das Kayla zufolge einen riesigen Unterschied machen würde. Sie ist kein großer Fan vom Kuscheln und streckt sich beim Schlafen gern aus. Wenn die beiden wieder umziehen, erhofft sie sich ein größeres Schlafzimmer. „Mir wäre es definitiv lieber, wenn wir im selben Raum schlafen könnten – vielleicht mit einem ähnlicheren Tagesrhythmus und einem größeren Bett.“
Amy, 31, er:sie/ihm:ihr& Nathaniel, 31, er/ihm
Amy dachte früher immer, als Paar getrennt zu schlafen sei der Untergang einer Beziehung. Als er:sie aber Nathaniel kennenlernte und sich die beiden nachts dauernd gegenseitig aufweckten, beschlossen sie, es mal auszuprobieren. („Ich bin außerdem ein Ordnungs-Freak“, erzählt Amy. „Ich würde nicht sagen, dass er unordentlich ist, aber definitiv nicht so ordentlich wie ich.“) Heute wechseln sich Amy und Nathaniel zwischen der Gästematratze im Wohnzimmer und dem Bett im Schlafzimmer ab. In ihrer nächsten Wohnung hätten sie gern je ein eigenes Schlafzimmer.
Anstatt ihre Beziehung zu zerstören, hat ihr Arrangement sie sogar gestärkt. Amy und Nathaniel streiten sich weniger, und obwohl Amy Angst hatte, ihr Sexleben würde darunter leiden, ist tatsächlich das Gegenteil passiert. „Ich glaube, wir haben jetzt öfter Sex, weil wir damit nicht mehr warten, bis wir ins Bett gehen“, sagt Amy. „Man muss sich einfach mehr Mühe geben, Sex zur Priorität zu machen.“
Inzwischen glauben die beiden, dass sie wohl für immer getrennt schlafen werden. „Unser Leben ist dadurch einfach so viel besser“, meint Amy, und auch Nathaniel findet, ihre Beziehung habe davon profitiert. „Sie ist nur noch besser geworden. Die Vorstellung, es sei ein Anzeichen einer gesunden Beziehung, zusammen zu schlafen, ist ein gesellschaftlicher Mythos, den wir der Vorherrschaft der Monogamie zu verdanken haben.“
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Abby, 29, sie/they, Ben, 29, er/ihm & Grace, 28, sie/they
Es gab eine Zeit, zu der sich das polyamouröse Trio Abby, Ben und Grace ein Schlafzimmer teilte. Heute sind sie froh darüber, dass diese Phase vorbei ist. Mittlerweile haben sie ihre eigenen Schlafzimmer – was ihnen nicht nur einen gesunden Schlafrhythmus, sondern auch persönlichen kreativen Freiraum ermöglicht. Ben und Grace schlafen am häufigsten zusammen, weil sie beide früh aufstehen, wohingegen Abby gern bis spät in die Nacht wach ist. „Ich stehe um 5 Uhr auf“, erzählt Ben. „Das ist zwei Stunden später, als Abby ins Bett geht.“ Dazu kommt noch der Aspekt der Matratzenstärke, meint Grace. Ihre eigene Matratze ähnelt einer „Holzplanke“, während Abby lieber auf einer „Wolke“ schläft.
Ben ist es wichtig klarzustellen, dass sein Wunsch nach Zeit für sich allein nichts mit seinen Partnerinnen zu tun hat. Und Abby fand es erstaunlich schön, zu sehen, wie Ben und Grace ihre Zimmer eingerichtet haben. „Wenn Leute von Dingen umgeben sind, mit denen sie sich wie sie selbst fühlen, blühen sie richtig auf“, sagt sie.
Obwohl die Gründe für das getrennte Schlafen also variieren – von persönlichem Freiraum bis hin zu verschiedenen Schlafrhythmen –, haben all diese Paare doch eines gemeinsam: Sie haben keine Scheu, andere Möglichkeiten des Zusammenseins auszuprobieren. Selbst wenn das bedeutet, in eigenen Betten zu schlafen.
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