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Mein Gehirn setzt bei Modetrends machmal aus – und das ist in Ordnung

Foto: Carrol Cruz & Jacob Sadrak
Ich bin eine große Freundin der tiefschürfenden Gedanken. Aber auch ich bin manchmal nur ein Mensch, so ganz allgemein. Und auch ich bin nicht vor klassischen First-World-Problems gefeit, so im Speziellen. Was nun folgt, ist Erst-Welt-Problematik vom feinsten, aber das muss einfach manchmal sein. Das Phänomen, um das es geht, ist die verwöhnte Variante der zwei Seelen, die ach, in meiner Brust wohnen. Ich möchte jetzt nicht so weit gehen, mich als tragische Heldin zu bezeichnen, aber so ein bisschen Kleiderschrankdrama gibt dem langweiligen Alltag doch erst die richtige Würze.
Es begann alles mit einem Rock mit Namen The Naomi des australischen Überflieger-Instagram-Labels Réalisation Par. An sich ist das einzig besondere an diesem Kleidungsstück, dass es aus 100 Prozent Seidensatin besteht und mit etwas comichaften Leoparden-Flecken bedruckt ist. Als ein Modelabel, das die Power von Social Media verstanden hat, hat Réalisation Par The Naomi fleißig an die schönsten (und zugegeben most basic) Insta-Girls verteilt, die denn auch gleich mit tierisch schönen Outfit-Fotos meinen Feed fluteten.
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Ich verstehe diese ganzen Mechanismen und ich bin mir bewusst, dass nur diese Bilder der Grund waren, warum ich plötzlich das Gefühl hatte, dass genau so ein Leoparden-Rock aus Seidensatin noch in meiner Garderobe fehlt. Mein gesunder Menschenverstand hatte mich also schon verlassen. Mein Notanker war mein Kontostand, der mir sehr eindeutig klarmachte, dass ein Rock für etwa 110 Euro plus Versandkosten aus Übersee gerade schlicht nicht drin ist. Bis ... ja, bis die Copycats auf der Bildfläche erschienen. Natürlich weiß auch ich, dass Réalisation Par das Leoparden-Rad nicht neu erfunden hat, aber sie haben es in diesem Sommer wieder zum Rollen gebracht. Und meine Güte, es rollte. Die Highstreet-Marken traten also auf den Plan und die Shops, online wie offline, wurden befüllt mit Midi-Röcken in Animalprints.
Ich bilde mir ja gerne ein, dass ich etwas Besonderes bin. Dazu gehört dann auch, dass ich nicht anziehen möchte, was alle tragen. Obwohl ich vermutlich an neun von zehn Tagen genau das mache. Aber ein Leopardenrock? Jetzt noch, wo ihn irgendwie alle haben? Nee. Es ist vergleichbar mit diesem immer wiederkehrenden Verlangen, mir einen Pony zu schneiden. Ich weiß, dass es eine dumme Idee ist und dass ich es bereuen werde. Trotzdem tappe ich immer wieder in die Pony-Falle.
„Diesmal ist alles anders!“, rede ich mir dann ein und weiß, während ich die Worte noch ausspreche schon, dass ich mir gerade in die eigene Tasche lüge. Ich hatte mich schon vor einer Weile in den Leo-Abklatsch von & Other Stories verguckt, aber, schlau wie ich bin, einfach gewartet, bis das gute Stück weltweit ausverkauft war. Plötzlich erfasste mich Panik (ja, Panik!). Warum habe ich diesen blöden Rock nicht einfach gekauft? Ich ärgerte mich, verfluchte meine Vernunft und alle Frauen, die einen Rock in Leoprint besaßen. Vergangene Woche dann habe ich tatsächlich das letzte Modell doch noch in einer Filiale ergattert. Eher zufällig, doch ich könnte glücklicher nicht sein.
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Ist das dieses High, von dem alle sprechen, die süchtig nach etwas sind? Und wenn ja, wie lange dauert es, bis dieser Rock meine Sucht nicht mehr stillen kann und ich drauflegen muss? Wie viel Leo kann eine Garderobe ertragen? Oder bin ich eine von denen, die jederzeit wieder aufhören können, wenn sie wollen? Ich kann mich nicht genau an meine Einstiegsdroge erinnern, aber ich glaube, es waren Zehensocken (es war 1999 und ich war 13 Jahre alt, don't @ me). Alle hatten sie, deshalb wollte ich auch.
Ich gebe mir und meinem Leo-Rock, wenn es gut läuft, ein halbes Jahr, bis er mich langweilt. Das klingt ganz furchtbar – und es ist auch furchtbar. Ich werde ihn vermutlich verkaufen, mich danach kurz noch einmal darüber ärgern und dann das nächste Kleidungsstück finden, von dem ich weiß, dass ich es erst mal nicht haben möchte, weil es alle haben, und dann nur deshalb haben möchte, weil es alle haben. Ich beruhige mich damit, dass die ganze Problematik – okay, „Problematik“ – noch vertretbar ist, wenn das bei einem Kleidungsstück pro Saison passiert. Sorgen muss man sich meiner Meinung nach erst machen, wenn man nicht mehr weiß, was ein Basic-Piece ist. Aber soweit kommt es bei mir mit Sicherheit nicht, ich kann nämlich immer aufhören, wenn ich möchte!

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