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Ist Streetwear nur der Trend, mit dem sich Leute wieder jung fühlen wollen?

Foto: Natalia Mantini
Ich kann mich noch sehr genau an mein erstes Paar Sneaker erinnern. Es war von Vans, krokodilgrün und ging eher so Richtung Klumpfuss als cooler Sk8 Hi. Trotzdem habe ich sie geliebt und getragen, bis sie auseinander gefallen sind. Allein schon, weil ich mit 13 mächtig stolz war, Teil der Skatergang in meinem kleinen Kaff in Thüringen sein zu dürfen. Das Zugehörigkeitsgefühl war zuvor mit meinen Buffallos deutlich weniger spürbar, wenn überhaupt vorhanden. Fast 20 Jahre später, trage ich immer noch Sneaker. Genauer gesagt Chucks und das einfach aus Gewohnheit und Bequemlichkeit. Converse wirbt in seinen Kampagnen zwar immer wieder mit der subkultuerellen Bedeutung des Schuhs, seit ca. 1992 trägt aber sowieso jeder (inklusive meiner Uroma) Chucks und damit können sie ein Zugehörigkeitsgefühl nicht mal mehr vormachen.
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Und jünger fühlen sich wahrscheinlich die wenigsten Pensionäre in Sportschuhen. Trotzdem scheint es so, als wolle der anhaltende Streetwear-Trend eine Prise Teenie-Gefühl mitverkaufen. Der Markt wird mit Dad-Sneakern überschwemmt, die vom High-Fashion-Brand über die Sportswear-Marke bis zur Fast-Fashion-Variante fast gleich aussehen. Luxus-Hoodies mit Parental-Advisory-Slogans sollen für ein billig produziertes Gangster-Gefühl sorgen, während Baggys wie früher den Streetwear-Look komplettieren. Nur eine Cap der Lieblingsmarke aus Jugendtagen kann dem Outfit noch die Krone der Peinlichkeit aufsetzen. Ich möchte natürlich niemandem absprechen ein kleines stilmäßiges Teenie-Revival zu feiern, trotzdem schreien viele Looks auf Instagram mir gerade Berufsjugendliche*r entgegen.

Altersgrenzen für Looks sind kompletter Schwachsinn. Wenn ein Teil jedoch eine subkulturelle Bedeutung hat, zudem dem*r Träger*in jeglicher Bezug fehlt, sieht es schnell verkleidet aus.

Das geht Hood-By-Air-Designer Shayne Oliver ähnlich, wie er gerade in einem Interview mit Now Fashion verkündete. „Heute wollen alle wie ein Rapper aus den 90er oder 00er Jahren aussehen und shoppen den Look bei Luxusmarken. Streetwear ist für alte Leute. Für Leute, die sich damals nicht an den Look getraut haben, weil er ihnen zu urban war. Jetzt wollen sie so aussehen, weil Luxusmarken ihn bringen und er ihnen ein jugendliches Gefühl gibt.” Oliver führt weiter aus, dass Streetwear sich dadurch von seiner Herkunft - Hallo Straße! - entfernt hat. Ohne Logos und Einzelhändler sieht der Designer einen Weg zurück oder besser die Zukunft von Streetwear.
Natürlich ist es kein neues Phänomen, dass Menschen Mode nutzen, um sich jünger zu fühlen. Bisher verfügten Jeansshorts, bauchfreie Tops oder andere kaum vorbelastete Kleidungsstücke über diese magischen Fähigkeiten. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Altersgrenzen für Looks sowieso kompletter Schwachsinn sind. Wenn ein Teil jedoch eine subkulturelle Bedeutung hat, zudem dem*r Träger*in jeglicher Bezug fehlt, sieht es schnell verkleidet aus. Und das ist wohl einer der unangenehmsten Zustände, den eine Klamotte verursachen kann. Er entspricht ungefähr dem Gegenteil des Konstrukts namens persönlichem Stil. Wenn man den hat oder sich zumindest immer in der eigenen Kleidung pudelwohl fühlt, dann kommt es so gut wie nie dazu.
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Trotzdem war ich selbst in meinem Leben sicher schon 373 Mal in dieser Situation. Je älter ich werde, desto seltener finde ich mich allerdings in diesem Karnevalszustand wieder. Ich weiß, was zu mir passt, probiere ab und an was aus, kaufe jedoch nichts Neues mehr. Wenn ich morgen mein Joy-Division-T-Shirt, das mir mein Ex ungefähr 2000 vermacht hat, auspacke, dann begegnen mir sicher einige peinlich berührte Blicke in der U-Bahn. Doch da ich so viele Erinnerungen mit dem Shirt und mit der Band verbinde, lass ich mich davon nicht irritieren. Ob ich damit mit einer pubertierenden Urban-Outfitters-Kundin verwechselt werden könnte, hängt wohl von meinen Concealer-Skills ab.
Natürlich freue ich mich für alle, die in einem Streetwear-Teil neue Erinnerungen machen. Gleichzeitig finde ich es schwierig, wenn man den Hintergrund eines Looks ignoriert. Wäre es nicht möglich den Streetwear-Kauf an ein Street-Cred-Quiz zu koppeln? Das wäre natürlich schrecklich arrogant und würde sicherlich zu weniger Verkäufen führen. Wenn jemand Sneaker, Hoodie usw. aber nur trägt, um vielleicht zwei Jahre jünger geschätzt zu werden und bei Zigaretten kaufen nicht den Ausweis zeigen zu müssen, würden Shayne Oliver und ich mich vielleicht dafür einsetzen...

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