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Schönheitsideale bei Schwarzen: Die Beauty-Branche hasst meine breite Nase. Wie ich lernte, sie trotzdem zu akzeptieren

Foto: Erika Bowes
Über die letzten Jahrzehnte hinweg hat sich in der Beauty- und Modebranche viel zugunsten der Schwarzen Community und Ästhetik getan. Breite Hüften, fülligere Schenkel und pralle Hintern werden nicht mehr geächtet, sondern beneidet; für vollere Lippen musst du inzwischen nicht mal mehr zum Beauty-Doc, sondern kannst sie dir mit ein paar Produkten im Nu zu Hause zaubern. Sogar klassische Schwarze Haarstyles wie Braids oder Dreadlocks haben in Mainstream-Haarsalons und auf den Köpfen weißer Frauen Einzug gehalten. Man könnte also meinen, BIPoC seien endlich in einer Branche angekommen, die sie lange außen vor ließ – aber Fehlanzeige.
Fakt ist nämlich: Die Fashion- und Beauty-Industrien diskriminieren Schwarze Frauen auch im 21. Jahrhundert noch. Du willst Beweise? Kriegst du: Erst im Jahr 2015 wurde Rihanna als erste Schwarze Frau zum Gesicht einer Dior-Kampagne – nach geschlagenen 69 Jahren Firmengeschichte. Im selben Jahr landete Jourdan Dunn als erste Schwarze Frau nach zwölf Jahren allein auf dem Cover der britischen Vogue (und als zweite überhaupt). 2018 hatte die mehrere Millionen Dollar schwere Beauty-Brand Tarte Cosmetics dann kein Problem damit, in ihrer Foundation-Palette nur drei (von 15!) Nuancen für mittel- bis dunkle Hauttöne anzubieten. Diese Liste an Beispielen könnten wir endlos fortführen.
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„Ich glaube nicht, dass ich meine Nase jemals lieben werde. Aber ich habe gelernt, sie in meinem Gesicht zu akzeptieren.“

Nicole
Und während es zumindest einige Schwarze Schönheitsideale allmählich auf die Catwalks und Werbeplakate dieser Welt geschafft haben, bleibt dieses Privileg unseren häufig breiteren Nasen bisher vorenthalten. Ganz egal, welches YouTube-Make-up-Tutorial du dir ansiehst – ein Step wird zwangsläufig das Nasen-Contouring sein, ganz egal, welche Hautfarbe der oder die YouTuber*in selbst hat. Und auch auf den roten Teppichen haben die Make-up Artists (oder Schönheitschirurg*innen) ihren Kund*innen unter Garantie die Nasen etwas schmaler gezaubert.
Die Erklärung dafür ist denkbar simpel: Breite Nasen – insbesondere die von Schwarzen Frauen – gelten seit Ewigkeiten als unattraktiv, sogar maskulin. 2011 ging der Evolutionspsychologe Satoshi Kanazawa sogar so weit, auf Psychology Today einen Artikel mit dem Titel „Warum sind Schwarze Frauen körperlich weniger attraktiv als andere Frauen?“ zu veröffentlichen. Nachdem er darin erklärte, Schwarze Frauen seien „deutlich unattraktiver als weiße, asiatische und indianische Frauen“, kam er zu dem Schluss: „Die einzige  mögliche Erklärung für die unterdurchschnittliche Attraktivität Schwarzer Frauen ist ihr Testosteron.“ Der Originalbeitrag wurde seitdem gelöscht, und Psychology Today entschuldigte sich öffentlich für Kanazawas Artikel.
Es ist diese Assoziation mit Männlichkeit, die Nicole* dazu bewegte, eine Nasen-Operation in Betracht zu ziehen. „Ich habe meine Nase immer gehasst“, erzählt sie mir. „Eine kleinere Nase fand ich einfach immer femininer und niedlicher. Ich fand, meine Nase sieht aus wie die von meinem Vater – weil sie breiter ist, wirkte sie auf mich recht maskulin. Deswegen dachte ich, [eine Nasen-OP] würde meine Gesichtszüge weicher machen.“ Nachdem sie sich in einer chirurgischen Praxis beraten ließ, entschied sie sich (damals mit 22) aber doch gegen den Eingriff. Heute, fast zehn Jahre später, hat sie mit dieser Entscheidung Frieden geschlossen. „Ich glaube nicht, dass ich meine Nase jemals lieben werde“, gibt sie zu. „Aber ich habe gelernt, sie in meinem Gesicht zu akzeptieren. Je älter ich werde, desto weniger wichtig ist mir das, was mir eine OP hätte bringen können.“
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„Ja, ich verhelfe deiner Nase zu mehr Kontur – aber du bekommst von mir keine weiße Nase. Das geht gegen meine Überzeugungen.“

Dr. Ewoma Ukeleghe
Für diejenigen, die mit dem Erscheinungsbild ihrer Nase unzufrieden sind, gibt es inzwischen aber auch nicht-chirurgische Eingriffsmöglichkeiten – wie zum Beispiel Filler. Dr. Tijion Esho ist Leiter der Schönheitsklinik Esho Clinic in London und Dubai. Ihm zufolge sind Filler die zweitbeliebteste Beauty-Behandlung seiner Schwarzen Patientinnen, direkt nach Haut-Treatments. „Ich sage immer: Solche Behandlungen sollen dir zu einer besseren, erfrischten Version deiner selbst verhelfen – dich aber nicht verändern“, erklärt mir Dr. Esho. „Deine ethnische Identität abzulegen ist hingegen eine enorme Veränderung“, fügt er hinzu und betont, wie schwierig es sein kann, das seinen Patient*innen klarzumachen.
Seine Einstellung teilt auch Dr. Ewoma Ukeleghe, Gründerin des Skincare-Dienstleistungs-Portals SKNDOCTOR. Sie meint: „Viele meiner Schwarzen Kundinnen wünschen sich eine stärker konturierte Nase, die aber nicht gleich wie die einer weißen Person aussieht. Sie wollen es nicht übertreiben. Manchmal will aber doch jemand eine sehr europäische Nase; da muss ich mich dann durchsetzen.“ Dr. Ewoma kritisiert daraufhin den schädlichen Einfluss eurozentrischer Schönheitsideale: „Bei nicht-chirurgischen Eingriffen dunkelhäutiger Kund*innen gilt bei mir (vor allem bei Schwarzen Frauen): Ja, ich verhelfe deiner Nase zu mehr Kontur – aber du bekommst von mir keine weiße Nase. Das geht gegen meine Überzeugungen.“ Dafür hat sie eine simple Regel: Solange die Wunschvorstellungen ihrer Kund*innen dem entsprechen, womit sie durchaus zur Welt hätten kommen können, macht sie den Eingriff. „Ansonsten nicht“, sagt sie.

„Ich habe irgendwann begriffen, dass ich schön bin, wie ich bin – mit oder ohne breite Nase.“

Grace Trowbridge
Aber woher kommen diese Wünsche überhaupt? Solche Unsicherheiten werden nur bestärkt, wenn wir uns immer und überall mit Bildern nicht-Schwarzer Frauen umgeben, die für ihr Aussehen bewundert werden. Das gilt vor allem für Frauen, deren Erscheinungsbild in Zeitschriften und auf Social Media schon immer unterrepräsentiert war. „Wenn du dir immer nur Fotos ansiehst, die deine eigene Schönheit infrage stellen, guckst du dir meiner Meinung nach die falschen Fotos an“, findet Benedicta Banga, Gründerin der Shopping-App Blaqbase, die Produkte Schwarzer Brands verkauft. Sie spricht dabei aber aus eigener Erfahrung: „Mir war immer bewusst, dass ich eine große Nase habe, und ich glaube, früher habe ich mir gewünscht, sie wäre schmaler. Heute finde ich sie aber in Ordnung. Sie macht mich aus und lässt mich einzigartig aussehen.“ Und auch Grace Trowbridge, Mitbegründerin der Online-Shoppingseite Simply Noir, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. „Heute feiere ich meine Herkunft mehr denn je“, meint sie. „Ich habe irgendwann begriffen, dass ich schön bin, wie ich bin – mit oder ohne breite Nase.“
Damit die Beauty-Branche die Ästhetik von BIPoC allerdings eines Tages wirklich respektiert und aufnimmt, sollten Gatekeeper in aller Welt endlich anfangen, ebenjene Schönheitsideale in all ihren Formen zu zelebrieren – und dazu gehören eben auch die breiten Nasen. Ansonsten heißt es weiterhin: Je dunkelhäutiger du bist, desto weniger fühlst du dich vorrangig weißen Communities zugehörig; und desto weniger kannst du beeinflussen, wie andere ihr eigenes Aussehen im Vergleich zu anderen empfinden. Geheuchelte allyshipund vermeintliche Versprechen der diversity allein werden daran nichts ändern können – und ob die Beauty-Industrie eines Tages zu wirklicher Inklusionshilfe bereit ist, werden wir sehen.
*Name wurde geändert

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