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Ich relaxte mein Haar ein Jahr lang nicht – jetzt verstehe ich, was White Hair Privilege wirklich bedeutet

„Meine Haare sind schöner als deine!“, erwiderte ich im Alter von 16 während eines dummen Teenie-Streits mit einer Schwarzen Freundin. Gleich, nachdem diese Worte meinen Mund verlassen hatten, bereute ich sie. Als ich sie daraufhin zusammenzucken sah, hätte ich mich am liebsten selbst geohrfeigt.
Mein Kommentar war deshalb so verletzend, weil Afro-Haar nicht gefeiert wurde, als ich aufwuchs. Tyra Banks, Naomi Campbell und Co. trugen ihr Haar damals nicht natürlich. In den Mainstream-Medien waren Schwarze Frauen und solche, die aussahen wie ich – also einen weißen und einen Schwarzen Elternteil haben –, eine Rarität. Schon sehr früh gaben mir fremde Leute – sowohl Schwarze als auch weiße – unmissverständlich zu verstehen, dass ich mich „glücklich“ schätzen solle, die Haare zu haben, die ich habe. Das verstand ich als Kompliment dafür, dass meine Haare nicht allzu „Schwarz“ seien. Meine Löckchen ließen sich leicht föhnen. Nach dem Glätten waren sie auch nie so steif, wie es bei groberen Haartypen nach einer Behandlung mit einem Relaxer und einem heißen Kamm der Fall ist. Außerdem glänzten sie von Natur aus, weshalb ich gar kein Serum brauchte. Während meiner späten Teenie-Jahre begann ich, Haarglättungsmittel zu verwenden, um meine Locken aufzulockern, sodass mein Haar unabhängig von der Temperatur glatt bleiben würde. Je öfter ich es glatt trug, desto mehr Komplimente bekam ich – und umso freundlicher verhielten sich fremde Menschen mir gegenüber.
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Meine Erfahrung spiegelt die Ergebnisse der Studie Good Hair wider. Darin wurden Einstellungen zum Haar Schwarzer Frauen untersucht. Die Resultate zeigten, dass weiße Männer und Frauen das größte Ausmaß an impliziten Vorurteilen aufwiesen. Das sind tief verwurzelte negative Stereotypen, die unser Gehirn automatisch mit einer bestimmten Gruppe von Menschen assoziiert und die oft nicht mit unseren bewussten Überzeugungen übereinstimmen. Was explizite Einstellungen (negative Ansichten und Überzeugungen über eine Bevölkerungsgruppe, die auf einer bewussten Ebene gebildet werden) betrifft, so fand die Studie heraus, dass sie weiße Frauen am stärksten in sich trugen. Sie bewerteten Afro-Haar als sowohl weniger attraktiv als auch seriös.
Diese Tatsache ist mir in den prägenden Jahren meines Lebens eindeutig nicht entgangen. Allmählich begann ich, zu verstehen, dass in der westlichen Welt weißes gleichbedeutend mit gutem Haar war. Je mehr du den gesellschaftlichen Schönheitsidealen entsprachst, desto mehr Privilegien standen dir zu – je heller deine Haut, glatter deine Haarpracht und schlanker dein Körper, desto besser. Diese Vorurteile und negativen Einstellungen gegenüber Afro-Haar zeigten sich in der Art und Weise, wie anders mich Lehrer:innen im Vergleich zu den beiden anderen Schwarzen Mädchen in meinem Jahrgang behandelten. Verkäuferinnen in Geschäften gaben sich mehr Mühe und Jungs schenkten mir mehr Aufmerksamkeit, wann immer meine Haare glatt waren. So sähe ich auch „professioneller“ aus, erklärten mir Vorgesetzte später, als ich einen Wochenendjob bei einer Luxuskosmetikmarke hatte. Mir wurde also von allen Seiten davon abgeraten, mein Haar natürlich zu tragen. Als ich dann anfing, als Beauty-Journalistin zu arbeiten, war ich bei Presseveranstaltungen in der Regel die einzige Schwarze Frau (was sich auch 15 Jahre später nicht geändert hat). Außerdem wurde mir überdeutlich zu verstehen gegeben, dass eine gewisse Ästhetik vorherrschte und bevorzugt wurde.
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Mit lockigem Haar hatte ich plötzlich viel weniger Matches.

Indem ich meine Haare glättete, verleugnete ich fast 20 Jahre lang einen Teil meines Schwarzseins. In dem überwiegend weißen Umfeld, in dem ich lebe und beruflich tätig bin, wollte ich mich in einem besseren Licht präsentieren. Inspiriert von der Natural-Hair-Bewegung beschloss ich aber vor etwa mehr als einem Jahr, eine große Veränderung vorzunehmen und mich von meinem Relaxer zu verabschieden. Was darauf folgte, waren 52 augenöffnende und oft unbequeme Wochen.
Ich muss zugeben, dass der Hauptgrund für diese Entscheidung meine Eitelkeit war. Ich war besorgt darüber, wie brüchig meine Haare nach jahrelangen chemischen Behandlungen geworden waren, und wollte ihnen einfach eine Auszeit gönnen. Es folgten viele „Bad Hair Days“, und ich war unzählige Male versucht, zum Haarglättmittel zu greifen. Als ich jedoch endlich herausfand, wie ich mein nachwachsendes Haar so auseinanderziehen konnte, dass es zu meinen locker hängenden, relaxten Locken passte (ein Klecks Argan De Luxe Curl Defining Crème, um die 18,00 Euro, ins feuchte, saubere Haar und mit geflochtenem Zopf ins Bett), begann ich, meine natürliche Textur zu akzeptieren. Die Natural-Hair-Bewegung ermutigte mich dazu, weiterzumachen und nicht in alte Muster zurückzufallen – diese kollektive Abkehr von überholten Schönheitsidealen, die Schwarzen Frauen das Gefühl geben, unattraktiv, unwürdig und inakzeptabel zu sein, spornte mich an und erfüllte mich mit einem Gefühl von Stolz.
„Repräsentation ist ein wichtiger Teil von Selbstakzeptanz“, sagt die Psychologin und Autorin der Studie Psychology of Black Hair Johanna Lukate. „Frauen of color haben soziale Medien dazu genutzt, um eine Fülle von Texturen – von wellig über lockig bis hin zu kraus – und Hauttönen zur Schau zu stellen, die man in traditionellen Medien sonst nicht sieht. Das hat dazu geführt, dass Afro-Haar zu einem weltweiten Thema geworden ist und dass wir jetzt positive Darstellungen von Frauen of color zu Gesicht bekommen.“ Diese Entwicklung gab mir den Mut, auszudrücken, wie stolz ich auf meine Herkunft bin, ohne Angst vor den Vorurteilen anderer zu haben.
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Als Nächstes änderte ich all meine Fotos auf Dating-Apps. Mit lockigem Haar hatte ich plötzlich viel weniger Matches. Ein Typ, mit dem ich davor hin- und hergeschrieben hatte, fragte mich, ob ich denn von Natur aus lockiges Haar hätte. Ich bejahte und fragte ihn, welcher Look ihm besser gefiele. „Glatt“, antwortete er, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Als ich ihn nach dem Grund dafür fragte, erklärte er, dass er nie wirklich darüber nachgedacht habe, ich seiner Meinung nach so aber „eleganter und irgendwie schlauer“ aussähe. Was du von dieser Antwort hältst, ist dir überlassen, aber nur wenige Menschen wissen, dass die Pflege von Afro-Haar zeitaufwendiger ist und mehr Planung erfordert als die von glattem Haar.
Nicht nur war ich mit meinem natürlichen Look auf Tinder auf einmal viel weniger beliebt, sondern hatte auch weniger Likes und Follower auf Instagram. Außerdem änderte sich das Verhalten von Fremden mir gegenüber plötzlich. Ein Beispiel: Ich war letztens in einem Nagelstudio und musste leider feststellen, dass sich das Personal verächtlich mir gegenüber verhielt, während alle anderen Kund:innen freundlich behandelt und angelächelt wurden. Liegt das an meinen Haaren oder an der Farbe meiner Haut? Diese Frage kann ich beim besten Willen nicht beantworten. Was aber außer Frage steht, ist, dass mein glattes Haar besser ankommt. Als Teenie wusste ich nicht, wie ich mit solchen Erfahrungen umgehen sollte. Als Erwachsene ist es mir aber wichtiger, zu mir zu stehen, als mich anzupassen. Das bedeutet nicht, dass ich mir nicht alle paar Monate die Haare föhne. Es bedeutet, dass ich meine Haare nicht mehr länger glätte, damit sich andere Menschen wohler in meiner Gegenwart fühlen können.
Ich habe dem White Hair Privilege den Rücken gekehrt. Auch wenn diese Entscheidung meine Partnersuche erschwert oder ich durch sie krassere Formen von Diskriminierung ertragen muss, sind das Opfer, die ich bereit bin, zu bringen. Ich habe eine Verantwortung mir selbst gegenüber, all die Dinge zu akzeptieren und zu lieben, die mich zu der einzigartigen Person machen, die ich nun mal bin – lockiges Afro-Haar eingeschlossen. Ich hoffe, dass ich damit ein Vorbild für andere Frauen of color sein kann. Mit meiner Geschichte möchte ich vor allem Frauen mit einem Schwarzen und einem weißen Elternteil inspirieren, die damit zu kämpfen haben, sich selbst als schön wahrzunehmen, da ein Großteil der Welt ihnen ständig und auf unmissverständliche Weise zu verstehen gibt, dass sie es nicht sind.

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