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Knirschen – Warum wir es tun & was du dagegen unternehmen kannst

Fast jeder Fünfte knirscht nachts mit den Zähnen. Meist ist Stress der Grund. Das Malmen schleift das Gebiss ab und überlastet die Kiefergelenke. Oft führt es sogar zu Schmerzen in Kopf und Rücken.
Die Schlafenden ahnen nicht, was sich nachts in ihrem Mund abspielt: Die Zähne verbeißen sich hart ineinander, der Kiefer mahlt, die Muskeln pressen - all das geschieht unbewusst, um den täglichen Stress abzubauen. Fast jeder fünfte Mensch knirscht mit den Zähnen. Weil das kaum während der Wachphase passiert, sind es häufig die Lebenspartner, die das Problem zuerst entdecken.
photographed by Erin Yamagata; produced by Julie Borowsky; produced by Lorenna Gomez-Sanchez; modeled by Michelle Li.
Wer mit knirscht, schleift seine Zähne ab. Auch die Kiefergelenke verschleißen dadurch. Manchem schmerzen deswegen tagsüber Kiefer, Kopf und Nacken. Denn die Muskeln verhärten und verspannen sich durch das ständige Malmen. Stress im Beruf oder im Privatleben können das Zähneknirschen auslösen. Seltener verursachen schief stehende Zähne, Krankheiten des Kiefers oder eine schlecht sitzende Prothese das nächtliche Tun.
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Kinder schleifen ihre Milchzähne plan

Knirschen mit den Zähnen schadet Erwachsenen, Kindern jedoch nicht. Kleinkinder malmen so lange, bis die Kau-Flächen von Ober- und Unterkiefer zueinander passen. Möglicherweise schleifen sich die Milchzähne dadurch sogar plan. Das ist nicht schlimm, denn sie bekommen neue Zähne.
Um die Zähne von Erwachsenen zu schonen, haben Ärzte die Knirscher-Schiene erfunden: ein Überzug aus Kunststoff, der nachts in den Mund gesteckt wird. Er verhindert, dass sich das Gebiss zu stark abschmirgelt. Gegen die Anspannung hilft die Schiene aber nicht. Den emotionalen Druck können Entspannungs-Techniken nehmen.

Symptome

Wer nachts mit den Zähnen knirscht, belastet sein Gebiss ganz schön: Das Pressen kann einen Druck aufbauen, der dem von 150 Kilogramm entspricht. Hält der Druck an, leiden Zähne, Kiefergelenke und Muskeln enorm. Die meisten Zähneknirscher verschieben ihre Zahnreihen auch gegeneinander. Dadurch reibt sich sogar der härteste Zahnschmelz ab.
Die Folge: Schneidezähne und Kauflächen werden geschliffen und poliert. Zahnärzte erkennen die Spuren schnell: Die fein geschmirgelten Flächen glänzen viel stärker als der Rest des Zahns. Ist der Schmelz komplett abgerieben, ist das darunter liegende Zahnbein nicht mehr geschützt: Der Zahn reagiert nun sehr sensibel auf alles Mögliche: auf Heißes, Kaltes, Süßes und Saures. Denn feinste Nerven-Enden im Zahnbein leiten den Reiz weiter an den Zahnnerv im Inneren des Zahns. Er reagiert auf alles mit einem Schmerz-Signal. Weitere Symptome des Zähneknirschens können sein:
Der Zahn kann auseinander brechen, wenn der Zahnschmelz reißt.
Dort, wo der Schmelz abgerieben ist, kann sich das Zahnbein dunkel verfärben.
Das Zahnfleisch kann schrumpfen und anfangen zu bluten. Wenn Sie nichts unternehmen, können die Zähne wackeln und schließlich ausfallen.
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Die Kiefergelenke können schmerzen, denn das Zähneknirschen belastet das gesamte Gewebe dauerhaft.
Wer nachts Schwerarbeit mit dem Gebiss leistet, spannt die Kaumuskeln ständig an. Dadurch können sich auch die Muskeln im Nacken und in der Schulter verhärten. Das wiederum kann Kopf- und Rückenschmerzen auslösen. Manchmal zieht die Pein bis in die Schläfen oder in die Gegend rund um das Ohr.

Diagnose

Ihr Zahnarzt wird Sie zunächst befragen: Ob Sie morgens verspannte Muskeln bemerken oder ob Sie Schmerzen wahrnehmen. Er wird auch fragen, ob Sie mitbekommen, dass Sie mit den Zähnen knirschen, und falls ja, in welchen Situationen Sie das tun. Wenn Sie nur im Schlaf mit dem Gebiss mahlen, wird der Arzt wissen wollen, welche Details Ihnen Ihr Lebenspartner erzählt hat.
Anschließend wird der Zahnarzt Ihre Zähne anschauen: Glänzend polierte Stellen an den Zähnen verraten, dass die Oberflächen dort ständig geschliffen werden. Der Mediziner wird dann prüfen, ob Ihr Gebiss vielleicht schief ineinander greift, ob Ihr Kiefergelenk nicht in Ordnung ist, ob Brücken oder Kronen falsch sitzen oder ob Füllungen zu hoch stehen. All diese Dinge könnten ebenfalls zu abgeschmirgelten Zähnen führen.
Hat die Zahnärztin keinen sichtbaren Grund für Ihr abgeschliffenes Gebiss gefunden, wird sie annehmen, dass Sie mit den Zähnen knirschen. Weil das Malmen und Pressen auf eine emotionale Anspannung hindeutet, wird sie fragen, ob Sie gerade unter Stress leiden und wie es Ihnen geht.
In Zweifelsfällen wird sie eine Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) anordnen. Sie zeigt viel besser als eine Röntgen-Aufnahme, ob Ihr Kiefergelenk in Ordnung ist, ob Ihre Kieferknochen gesund sind und ob sich die Knorpelscheibe zwischen Ober- und Unterkiefer verändert hat.
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Therapie

Um Ihre Zähne zu schützen, wird der Zahnarzt Ihnen einen Beißschutz anbieten. Er besteht aus Kunststoff und umhüllt die untere und obere Zahnreihe. Damit die Knirscherschiene passt, macht der Arzt erst einen Abdruck Ihres Gebisses, die Zahntechnikerin fertigt daraus ein Modell. Darauf drückt sie eine warme Kunststoff-Platte, die sich dem Modell anschmiegt. Ist die Platte kalt geworden, bleibt die Form bestehen. Der Knirsch-Schutz verhindert, dass Sie Ihre Zähne weiter abschmirgeln. Weil er Ihre Zähne festhält, können Unter- und Oberkiefer nicht mehr gegeneinander verschoben werden - das nächtliche Malmen hat ein Ende.

Krankengymnastik für die Kiefer und Kaugelenke hilft

Möglicherweise wird die Zahnärztin Ihnen auch vorschlagen, Krankengymnastik für das Kiefergelenk und die Kaumuskeln zu machen. Dafür gibt es speziell ausgebildete Physiotherapeuten. Sie bringen Ihnen Dehn- und Lockerungsübungen bei, damit sich Ihr Kiefer wieder normal bewegen kann.
Knirscher-Schiene und Krankengymnastik beheben aber nicht die Ursache des Übels: den Stress. Um seelischen Druck abzubauen, kommen viele Techniken in Frage: Entspannungs-Übungen können helfen, aber auch Sport kann Stress mindern. Zudem bieten Psychotherapeutinnen spezielle Stressbewältigungs-Trainings an.
Die Ambulanz für Psychosomatik in der Klinik für Zahnheilkunde in Münster bietet Hilfe an für Menschen mit Stress, der sich auf Mund, Zähne und Kiefer auswirkt. Zahnärzte, Psychotherapeutinnen und Physiotherapeuten bieten Gruppen- oder Einzeltherapien an. Sie arbeiten tiefenpsychologisch oder verhaltenstherapeutisch.

Tipps

Bauen Sie den Stress ab!

Fragen Sie sich, wann und warum Sie unter emotionalem Druck stehen. Beobachten Sie sich und Ihre Reaktionen. Mahlen Sie vielleicht auch tagsüber mit den Zähnen? Falls ja: Überlegen Sie, was Sie dagegen tun können. Das hilft Ihnen auch in der Nacht. Sport und Entspannungs-Übungen sind immer empfehlenswert, vielleicht können Sie auch einige Lebensumstände verbessern.
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Scheuen Sie sich nicht, über professionelle Unterstützung nachzudenken. Es gibt so genannte Stressbewältigungs-Trainings, die sehr hilfreich sein können: Damit kommen Sie besser durch's Leben, der Zahnschutz ist da ein Nebeneffekt. Häufig übernehmen die Krankenkassen die Kosten für Entspannungs-Kurse: Fragen Sie nach entsprechenden Angeboten.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Schutzschiene nicht richtig sitzt oder drückt, sprechen Sie mit Ihrem Zahnarzt: Er sollte den Schutz jedes Jahr kontrollieren und gegebenenfalls auf Ihre Zähne anpassen. Sie können Ihre Schiene mit Zahnbürste und Zahnpasta reinigen. Geschirrspülmittel reinigt genauso gut oder sogar besser. Danach nur mit klarem Wasser abspülen.
Expertenrat
Dr. Philipp Kohorst von der Medizinischen Hochschule Hannover antwortet
Kann Zähneknirschen von alleine verschwinden? Ja, beim normalen Bruxismus (Zähneknirschen), bei dem Stress die Ursache ist, kann das passieren. Ist eine belastende Situation zu Ende oder lösen sich die Probleme, dann verschwindet der Auslöser, und das Knirschen in der Nacht hat ein Ende. Trotzdem sollten natürlich eingetretene Schäden an Füllungen oder Kronen behoben werden. Möglicherweise ist auch eine Parodontal-Therapie notwendig, wenn es Probleme am Zahnhalte-Apparat gibt. Grundsätzlich gilt, dass man Zähneknirschen nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Wenn man es bei sich selbst bemerkt oder ein Angehöriger etwas sagt, sollte man nicht warten, bis es von alleine wieder vergeht. Dann ist dringend ärztlicher Rat nötig.
Wie reagieren Ihre Patienten, wenn sich herausstellt, dass Stress oder psychische Belastungen die Ursache des Zähneknirschens sind?
Das ist sehr unterschiedlich. Die meisten sind sich ihrer Erkrankung bewusst und räumen auch ein, dass sie psychisch sehr belastet sind. Einige werfen sich vor, dass sie nicht schon früher etwas gegen das Knirschen unternommen haben, insbesondere, wenn die Zähne bereits sehr stark geschädigt sind.
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Viele Patienten wollen jedoch nicht wirklich an die Ursachen ran. Der Hinweis auf eine psychotherapeutische Behandlung ist teilweise sehr schwer zu vermitteln, weil psychische Probleme oft als Spinnertum abgetan werden. Hier versuchen wir immer deutlich zu machen, dass auch dies eine wirkliche Erkrankung darstellt, die der Behandlung bedarf. Natürlich muss jeder selbst entscheiden, ob er professionelle Hilfe in Anspruch nehmen will.
Allerdings ist eine derartige Therapie auch nur bei wenigen Patienten notwendig. Die meisten können ihren Stress ohne weiteres selbst in den Griff bekommen. Die Patienten, die zumeist psychosomatische Hilfe in Anspruch genommen haben, berichten aber anschließend durchweg positiv über die Erfolge.
Worauf sollte man bei einer Schutzschiene achten?
Ein bißchen Spannung an den Zähnen ist normal, schließlich soll die Schiene ja fest anliegen. Beim Zusammenbeissen ist darauf zu achten, dass alle Zähne gleichmäßig auftreffen und es keine Frühkontakte gibt. Man sollte auch nicht das Gefühl haben, dass der Kiefer in einer unangenehmen Position festgehalten wird. Verschlechtern sich die Beschwerden, sollte die Schiene überprüft werden.
Ist es normal, dass auch schon Jugendliche mit den Zähnen knirschen?
Das ist eine besorgniserregende Entwicklung: Bis zu 15 Prozent der Jugendlichen sind von Bruxismus betroffen. Offenbar scheinen bereits junge Menschen beispielsweise in der Schule so unter Stress zu stehen, dass sich dieser psychische Druck einen Weg suchen muss. Ich denke, dass die Anzahl weiter zunehmen wird, da die Belastungen für junge Menschen künftig noch größer werden.
Worauf müssen betroffene Jugendliche oder ihre Eltern achten?
Wichtig ist eine rechtzeitige Behandlung. Das kann eine Knirscherschiene sein. Man weiß, dass Menschen, die bereits in jungen Jahren mit den Zähnen knirschen, im späteren Leben häufiger an Fehlfunktionen der Kiefermuskulatur oder der Kiefergelenke leiden. Allerdings ist die Behandlung genau zu beobachten, damit man nicht die normale Entwicklung des Kiefers behindert.

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