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Wie sich Instagram verändert, wenn man Mutter wird

Photographed by Eylul Aslan.
Auf Instagram werden mir neuerdings nur noch schwangere Frauen, Babys und Windelwerbungen angezeigt. Wo sind auf einmal alle Partybilder hin? Mutter zu sein ist ein Vollzeitjob, aber muss er sich auch noch auf meinen Social-Media-Feed auswirken?
Tausende junge Mütter nutzen Instagram und manche verdienen damit sogar richtig Geld. Von #mummymeetups über Babys, die zwar noch nicht laufen können, aber schon als Stilikonen gelten, bis hin zu superfitten Müttern, die zwei Wochen nach der Geburt schon wieder in ihre alten Jeans passen, ist alles dabei. Ich habe wirklich kein Problem mit Müttern, die süße Bilder der stolzen, frischgebackenen Oma mit ihrem winzig kleinen Enkel posten, finde es aber schwierig, die richtige Balance zwischen Sharing und Oversharing zu finden.
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Für viele ist Instagram zu einem Ort geworden, an dem man der Außenwelt das Bild vermittelt, das man gerne von sich selbst präsentieren würde. Ob es sich dabei um ein geschäftliches oder privates Image handelt, ist erstmal zweitrangig. Ich gehöre zu den vielen Müttern, die jedoch gemischte Gefühle dabei haben, zu viele Bilder ihrer Kinder zu posten. Auf der einen Seite will man nicht langweilig und vorhersehbar wirken, auf der anderen Seite möchte man sein großes Glück, das erfüllendste, wichtigste und niedlichste, was es gerade im eigenen Leben gibt, unbedingt mit der Welt teilen. Der Insta-Account sollte also im besten Falle zwei Sachen sagen: ‚Ich bin nicht nur eine fitte, coole Mama, sondern habe gleichzeitig auch ein Leben außerhalb der Mutterrolle. Ich gehe aus und erlebe Sachen.’ Das erfordert eine gute Mischung aus Babybildern und Bildern ohne Baby. Es geht darum, die eigene Identität nicht zu verlieren, nur weil man Mutter geworden ist, sondern sie im besten Fall um diesen einen Zusatz zu erweitern. Eine befreundete Mutter, mit der ich über genau diese Balance sprach, sagte mir: „Es ist einfach wichtig, nicht selbstgefällig rüberzukommen oder so, als sei man auf einmal nur noch eine Mutter ohne eigene Interessen. Egal wie süß man das eigene Baby findet, man sollte nicht zu viele Fotos von ihm posten. Ich jedenfalls denke zweimal darüber nach, bevor ich ein Bild von meinem Kind hochlade.“
Andere haben da nicht so starke Bedenken. Ich kenne eine Mutter, die fast jeden Tag Bilder ihrer zwei Kinder postet. Hat sie das Gefühl, es zu übertreiben? „Überhaupt nicht. Wer keine Lust auf die Fotos hat, kann mir ja entfolgen. Es ist ein privater Account, auf dem andere Leute mir wegen meiner Familienfotos folgen.“ Und wieso postet sie überhaupt so viele Bilder von ihren Sprösslingen? „Sie sind schön, ich bin stolz auf sie und zeige sie einfach gerne.“
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Das Social-Media-Verhalten kann sich aber auch schon ändern, bevor das Baby kommt. Instagram wird mit Bildern von Schwangeren überschwemmt – den Babybauch nicht zu präsentieren ist da fast das größere Statement, als ihn zu zeigen. Eine weitere frischgebackene Mutter erzählte mir, dass ihre Social-Media-Accounts, bevor das Baby kam, voll waren mit Bildern von Festivals und DJ-Fotos vor dem Mischpult. Mittlerweile postet sie kaum mehr etwas. „Das ist auf jeden Fall eine große Umstellung. Ich habe meinem alten Leben schon ein bisschen nachgetrauert. Es ist gar nicht so, dass ich es als minderwertig ansehe, Mutter zu sein. Eher ist es das Gefühl, dass die eigene Welt mit dem Baby etwas kleiner wird, das ich etwas traurig finde. Das auf Instagram zu zeigen, würde diesen Prozess dokumentieren und mögicherweise das Gefühl verstärken.“
Und was sagen Experten zu dem Phänomen? Die Dozentin Caroline Gatrell, die an der Universität in Liverpool zum Thema „Arbeit und Familie“ lehrt, glaubt, dass Mütter hin- und hergerissen sind. Traditionellerweise wird von ‚guten’ Müttern erwartet, dass sie sich auf ihre Kinder fokussieren und diese als Priorität ansehen. „Mütter, die auf Instagram zeigen, dass sie ihre Zeit in ihre Kinder investieren, entsprechen diesem Bild und erfüllen die Erwartungen. Auf der anderen Seite wird von Frauen, die Kinder bekommen haben, oft einfach angenommen, dass sie sich jetzt weniger für den Job interessieren. Ganz unabhängig davon, ob das der Fall ist oder nicht. Die Rolle von Müttern in Unternehmen wird häufig marginalisiert.“
Es stimmt also immer noch: Wir können gewissermaßen gar nicht gewinnen. Von Müttern wird heutzutage erwartet, weiterhin auf Social Media stattzufinden, aber unter Umständen zahlen sie dafür auf der Arbeit einen hohen Preis.
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Die Dozentin Charlotte Faircloth vom University College London lehrt Soziologie und Gender Studies. Auch sie hält unser heutiges Verhältnis zu Mutterschaft für ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite werden Mütter in unserer Kultur auf ein Podest gestellt, auf der anderen wird Muttersein noch immer nicht als ‚echter’ Job angesehen. „Instagram stellt so für viele Frauen eine Möglichkeit dar, sich Anerkennung und eine Daseinsberechtigung zu verschaffen. Gleichzeitig wird aber von ihnen erwartet, als nicht zu mütterlich rüberzukommen.“
Um einen positiven Aspekt von Müttern auf Instagram hervorzuheben: Es geht hier nicht um perfekte Fotos. Natürlich gibt es viele Frauen, die weiterhin auf die klassischen ‚inspirierenden’ Fotos setzen und Inneneinrichtung, Kindermode oder Fitnesstipps zeigen. Aber es gibt auch einen anderen Trend, der ziemlich schnell voranschreitet: Mütter, die authentische und emotionale Fotos vom Elternsein posten. „Einige der beliebtesten Bilder zeigen Kaiserschnittnarben, Neugeborene, die frisch nach der Geburt noch voller Blut und nicht wie saubere kleine Engelchen fest in eine Decke gewickelt sind, und weiche Frauenkörper nach der Geburt“, erklärt Siobhan Freegard, die die Elternseite ChannelMum.com ins Leben gerufen hat. „Noch vor einigen Jahren wären solche Bilder auf Instagram als Tabu angesehen worden. Dementsprechend helfen sie dabei, Grenzen einzureißen und Müttern ein besseres Verhältnis zu sich selbst zu vermitteln, weil sie zeigen, was eigentlich normal ist.“
Ganz unabhängig davon, wie wir Instagram nutzen, beeinflusst es doch, wie wir uns selbst als Eltern wahrnehmen und wie wir uns im Vergleich zu anderen sehen. Nochmal zu der Mutter vom Anfang, die jeden Tag ihrer Kinder auf Social Media teilt. Sie sagt, dass sich ihr Online-Verhalten geändert hat, seit sie Kinder hat. „Früher habe ich nur etwas gepostet, wenn ich jemandem eine Nachricht schicken wollte, zeigen wollte, wie glücklich ich gerade bin oder ein schönes Bild von mir geteilt habe. Jetzt gebe ich mit meinen Kindern an“, gibt sie zu und fragt sich schon, ob sie mit ihren Posts nicht einfach nur nach Bestätigung sucht.
Zu welcher Kategorie der Insta-Mütter man nun fällt, ob proaktiv und präsent oder doch eher zurückhaltend und womöglich einfach auf der Suche nach Hilfe und Inspiration von anderen, denen es auch gerade so geht, ist schließlich egal. Denn Hoch- und Tiefpunkte kommen wirklich unweigerlich bei jeder Mama vor: Höhen sind definitiv, dass man gerade in der doch recht isolierten Anfangsphase, in der das Baby noch klein ist, Verbindungen zu anderen in der ähnlichen Situation aufbauen kann, Tiefen sind, dass man, ob man will oder nicht, im ständigen Vergleich zu anderen steht.
Letzten Endes sollte es bei den Bildern, die man postet, weniger darum gehen, was andere Leute von einem denken könnten, und mehr darum, was sich für einen selbst richtig anfühlt. Wie die Mutter sagt, die vor der Schwangerschaft auf Festivals tanzte: „Ich will meinen Sohn nicht zu oft zeigen. Und seien wir mal ehrlich: Wen interessiert es eigentlich, was ich poste? Für wen poste ich diese Bilder eigentlich?“

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