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Warum es halb so schlimm ist, dass alle meine Dates in der Friendzone enden

Ich hatte gerade ein erstes Date mit einer Frau, die ich über eine Dating-App kennengelernt habe. Ich habe ein ziemlich gutes Gefühl, denn der Funke und die gewaltige sexuelle Energie zwischen uns waren deutlich spürbar. Außerdem erfüllt mich der Gedanke daran, sie hoffentlich bald besser kennenlernen zu können, mit Aufregung. So weit, so gut.
Kaum zu Hause angekommen, erhalte ich auch schon eine Nachricht, die mich erschaudern lässt: „Ich würde dich gerne wiedersehen…, aber nur als gute Freundinnen.“
Das ist ein kurzer Einblick in mein Dating-Leben der letzten vier Jahre. Es ist nicht die Nachricht selbst, die mich umhaut. Ich erwarte ja schließlich nicht, dass sich jede Person sofort in mich verliebt. Was mich beunruhigt, ist die schiere Anzahl an Dates, die in Freundschaften endeten. Ich dachte, die alte „Lass uns nur Freund:innen sein“-Abfuhr sei ein Code für „Ich stehe einfach nicht so auf dich und werde mich jetzt für immer aus dem Staub machen“. Im Laufe der Zeit haben sich die meisten meiner Verabredungen zu freundschaftlichen Beziehungen entwickelt. Das mag sich so anhören, als sollte ich queeres Daten an den Nagel hängen. Diese Erfahrung hat aber überraschenderweise über den Umweg von anfänglicher Ablehnung zu jeder Menge Unterstützung und Bestätigung geführt.
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Die „Friendzone“ ist ein Begriff, der größtenteils heterosexuelle Vorstellungen vom Daten widerspiegelt. Bestenfalls handelt es sich dabei um eine Beziehung, die einfach nicht läuft, weil sie einseitig romantisch und einseitig freundschaftlich ist. Im schlimmsten Fall fühlen sich Männer durch ein solches Verhältnis zu sexuellen oder romantischen Beziehungen berechtigt, weil ihnen gesellschaftlich beigebracht wurde, sie würden ihnen zustehen. Die Friendzone beruht auf der Vorstellung, dass Freundschaft weniger wertvoll als Liebe sei. Zum Glück stimmen meine Erfahrungen als queere Frau aber nicht mit dieser Idee überein. 2019 zog ich aus Arbeitsgründen nach London. Eigentlich hatte ich vorgehabt, bis zum Umfallen zu daten. In meiner kleinen Universitätsstadt gab es aber keine nennenswerte queere Szene und einen noch kleineren Dating-Pool. Damit erschien ein Umzug in die Großstadt also unvermeidlich. Ich hatte gehofft, in der Londoner Queer-Community einen Platz für mich zu finden. Was ich aber nicht geahnt hatte, war, dass mich das Daten zu Gleichgesinnten führen würde.
Bevor ich weitererzähle, will ich nur mal eben kurz betonen, dass ich mich hier nicht auf queere platonische Partnerschaften beziehe. Genauso wenig will ich natürlich behaupten, dass queere Frauen und nicht-binäre Menschen nicht „nur“ gute Freund:innen sein können. Ich spreche von Personen, die auf der Partnersuche sind und mehr als ein freundschaftliches Interesse an mir zeigen, aber mich nach ein paar Dates in die Friendzone schleudern. Jedes. Einzelne. Verdammte. Mal. Wäre es mir lieber, von ihnen geghostet zu werden? Nein. Gibt es auch etwas Positives an dem Ganzen? Ja, definitiv. Sagt das etwas über mein zwanghaftes Bedürfnis danach aus, mit jeder Person befreundet zu sein, obwohl es sich nachteilig auf meinen Beziehungsstatus auswirkt? Vielleicht.
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Ich spreche auch nicht von intimen Freundschaften wie jene zwischen Carol (Cate Blanchett) und Abby (Sarah Paulson) in Todd Haynes' Meisterwerk des Queer-Kinos, Carol. Ich spreche von einer freundschaftlichen Beziehung, bei der man in der Kneipe ein Bier trinkt und mit zwei Füßen Abstand auf dem Sofa Filme schaut – also eher sexuell als sozial distanziert. Ich beziehe mich auf ein unerwidertes Gefühl, das aus heiterem Himmel auf mich niederprasselt, wann immer ich glaube, dass die Dinge in meinem Liebesleben gut zu laufen scheinen. Wir beide lieben die kanadische Singer-Songwriterin Carly Rae Jepsen! Als wir beide beschwipst waren, kam es zum heißen Kuss! Unsere Sternzeichen passen zueinander! Warum also nur befreundet sein wollen?
Eine Nachricht von meinem letzten Date, das in einer Freundschaft endete, lautete: „Ich weiß, dass wir uns in einer Dating-App kennengelernt haben und du wahrscheinlich nicht auf dieser Plattform warst, um neue Freund:innen zu finden.“ Damit hat sie den Nagel auf den Kopf getroffen und trotzdem sind wir jetzt kein Liebespaar, sondern gute Freundinnen.
Ich wandte mich an die Dating-Expertin und Heiratsvermittlerin Sarah Louise Ryan, um etwas Licht ins Dunkel meines Liebeslebens zu bringen. Sie zeigt sich zuversichtlich, was meine Situation angeht. „Ich finde es eigentlich ganz erfrischend, dass diese Person auf eine wirklich authentische Weise versucht, eine Freundschaft aufzubauen, anstatt dich bloß mit leeren Worten zu übergießen, was beim Daten heutzutage keine Seltenheit ist.“
So sehr ich mir auch eine romantische Beziehung wünsche, gibt es Schlimmeres, als in die Friendzone verbannt zu werden. Ein gutes erstes Date bedeutet nicht immer, dass jemand eine Beziehung mit dir eingehen möchte; wir sind ja schließlich nur Menschen. Ich respektiere auch, dass die Leute, mit denen ich ausgehe, ehrlich sind und ihre Gedanken kommunizieren. Zudem fühle ich mich geschmeichelt, dass sie mich scheinbar ausreichend mögen, um mit mir in Kontakt bleiben zu wollen. Ich bin nur wütend darüber, dass das mit so ziemlich jeder Person passiert, mit der ich mich je verabrede, weshalb ich langsam meine eigene Herangehensweise beim Daten infragezustellen beginne.
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Liegt das alles etwa an mir? Der Beziehungsexperte James Preece verrät mir, dass es wichtig ist, genau zu wissen, was du dir vom Daten erhoffst, und gleich am Anfang zu klären, ob du und dein Gegenüber dieselben Wünsche und Erwartungen habt. „Wenn du nicht zeigst, dass du an einer Liebesbeziehung interessiert bist, wird dein Date annehmen, dass du es nicht bist. Selbst wenn diese Person dich ebenfalls mag, wird sie dich aus Selbstschutz zurückweisen. Deshalb ist es wichtig, dass du gleich zu Beginn mit deiner Kommunikationsweise und deinem Verhalten verdeutlichst, worauf du aus bist.“ Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn es ist unangenehm, Dinge ernst zu nehmen, wenn man die andere Person noch gar nicht richtig kennt.
Vielleicht stelle ich also mit meiner Herangehensweise beim Daten die Weichen für eine Freundschaft. Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob ich meinen Ansatz überhaupt völlig ändern will. Etwas, das Sarah sagt, gibt mir zu denken: „Indem du an Beziehungen und Dating-Szenarien aus der Vergangenheit festhältst, schaffst du nicht genügend Raum für potenzielle Partner:innen.“
Ich verstehe, was Sarah damit meint. Ich würde aber lügen, wenn ich behaupten würde, dass meine Erfahrungen mich jemals zurückgehalten hätten. Wenn überhaupt, dann haben sie mich etwas über Grenzen, Respekt und die Bedeutung einer authentischen Beziehung gelehrt. Sie haben mir viele unterhaltsame Nächte in Bars beschert, mich mit neuen queeren Kreisen bekanntgemacht und mich daran erinnert, dass freundschaftliche Verhältnisse genauso liebevoll wie Liebesbeziehungen sein können. Durch meine zahlreichen Friendzone-Erlebnisse habe ich die Community gefunden, nach der ich gesucht hatte. Jetzt ist mein Supportnetzwerk stärker als je zuvor.
Nicht jede Person, mit der du ausgehst, wird zu deiner besseren Hälfte werden. Außerdem sollte Freundschaft nicht als weniger wertvoll als eine Liebesbeziehung angesehen werden. Früher empfand ich meine Dating-Erfahrungen als Misserfolg, weil sie immer in der Friendzone endeten. Meine Einstellung hat sich im Laufe der Zeit aber grundlegend verändert: Diese neu geschlossenen Freundschaften spielen eine wichtige Rolle in meinem Leben. In der queeren Community, von der ich ein Teil bin, sind sie nämlich von großer Bedeutung, selbst wenn sie (wie in meinem Fall) aus Ablehnung heraus entstanden sind. Schließlich tut Ablehnung zwar vielleicht weh – Freundschaft heilt dafür aber alle Wunden.

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