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Buzzcut: Ich habe mich endlich getraut & du solltest es auch tun

Foto: Josh Kirby/Kelly Dougher.
Während ich das hier schreibe, fahre ich mir über meinen Kopf. Früher bin ich mir immer durch die Haare gefahren, wenn ich eine Blockade hatte. Meine Kolleg*innen mussten immer lachen, wenn sie mich mit wild zerwühltem Haar auf dem Gang sahen. Eine Woche, nachdem ich mein Haar komplett abrasiert habe, fühlt es sich einfach toll an, mir über den Kopf zu streichen, weich und seidig. Wenn ich jetzt in den Spiegel sehe, sehe ich nur noch mein Gesicht. Keine Haare versperren mehr die Sicht, alles ist frei.
Auch andere Leute fassen meine Glatze gerne an. Manche fragen vorher, andere nicht. Vor allem Frauen sagen mir, dass sie den neuen Haarschnitt toll finden, aber sich selbst nie trauen würden, sich den Kopf zu rasieren. Ich sage dann immer, dass sie es trotzdem machen sollten. Neben den praktischen Argumenten dafür gibt es auch ein weiteres, das sich in einem Wort zusammenfassen lässt: Freiheit. Keine Produkte und Geräte mehr, kein Styling, keine Friseurbesuche, keine Angst mehr vor platten Haaren unter der Mütze.
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Foto: Josh Kirby/Kelly Dougher.
Einen Tag, nachdem ich mir die Haare abrasiert hatte, wurde mir bewusst, dass ich keines der Produkte mehr brauchte, die mein kleines Badezimmer verstopften: Serum, Spray, Trockenshampoo, Gel, Wachs, Pomade, Haarparfum, Glätteisen, Fön, Haarnadeln und –gummis, alles kam weg. Meine neue Frisur spart mir also nicht nur Zeit, sondern auch jede Menge Geld und Platz: Bis auf Shampoo muss ich gerade nichts mehr kaufen. Und zum Friseur muss ich auch nicht mehr. Ich schnapp mir einfach alle paar Wochen meinen Rasierer, aber das war’s dann auch. Zugegeben, eine Sache brauche ich nun, wo ich eine Glatze habe, mehr als zuvor: Sonnenschutz. Ich benutze leichtes, nicht fettendes Spray, um meine Kopfhaut zu schützen. Und wenn die Sonne zu sehr scheint, setze ich einen Hut auf.
Aber ich muss zugeben, dass auch ich Bedenken hatte, bevor ich den Schritt gewagt habe. Mir gingen diverse Gedanken durch den Kopf: Was, wenn ich eine komische Kopfform habe? Vielleicht eine riesige Delle, von der ich nichts weiß. Was, wenn mir eine Glatze nicht steht? Oder wenn meine Mutter… – nein, meine Mutter wird auf jeden Fall weinen.
In unserer Gesellschaft sind lange Haare immer noch mit weiblicher Attraktivität verknüpft. Das findet nicht nur meine Mutter, sondern auch die meisten anderen Leute. Und natürlich möchte ich meiner Mutter gefallen. Und auch was alle anderen denken, ist mir nicht komplett egal.
Wenn ich bei Google „Charlize Theron Buzzcut“ eingebe (den ließ sie sich damals für Mad Max rasieren), sind die Headlines eher skeptisch. Die Daily Mail titelte: „Charlize Theron zeigt sich mutig mit Glatze“, Us Weekly sagte: „Charlize Theron hat keine Skrupel, ihren vieldiskutierten Buzzcut zu zeigen“ und den Vogel schoß Pe​ople StyleWatch ab: „Ob Sean Penn Charlize Therons Buzzcut aus Mad Max wohl gefällt?“. Kurzum: Sich den Kopf zu rasieren ist anscheinend furchtbar mutig.
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Foto: Josh Kirby/Kelly Dougher.
Ich würde mir wünschen, dass es kein Zeichen von Löwenmut ist, sich als Frau einen Buzzcut zu genehmigen. An Ende ist es nur Haar und der Sache so viel Aufmerksamkeit zu schenken, kann nur nach hinten losgehen. Es gibt schließlich auch Leute, die durch eine Chemo gehen oder unter Alopezie leiden. Und die brauchen sicherlich nicht noch on top, dass die Gesellschaft darauf besteht, die Glatze als Symbol der Andersartigkeit zu behandeln und nicht einfach nur als Frisur. Meine drei Brüder beispielsweise rasieren sich im Sommer oft die Haare ab, wenn es ihnen zu heiß wird. Das interessiert keinen. Als ich hingegen mit der Idee um die Ecke kam, waren sämtliche Familienmitglieder skeptisch bis ablehnend eingestellt.
Ich sage nicht, dass sich jetzt alle einen Buzzcut rasieren sollen, um das Patriarchat zu bekämpfen. Ich sage nur, dass wenn du schon immer ausprobieren wolltest, wie du mit Glatze aussiehst, aber Angst vor der Reaktion der Leute hast, du einfach auf deren Meinung scheißen solltest. Seit ich einen Buzzcut habe, musste ich jede Menge dumme Kommentare sowohl von Männern als auch von Frauen einstecken, von „Ich finde es schöner, wenn meine Freundin längere Haare hat als ich“ bis hin zu „Und wenn du jetzt ein Vorstellungsgespräch hast?“. Und ich habe mindestens genauso viele Komplimente bekommen, ebenfalls von Männern wie Frauen. Einige haben mir sogar gesagt, dass ich noch nie schöner ausgesehen habe. Die Beleidigungen ignoriere ich, die Komplimente nehme ich gerne an. Aber wirklich jucken tun mich weder die einen noch die anderen.
Ich habe mein Haar nämlich nicht abrasiert, weil ich schön sein wollte. Sondern frei.

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