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Bekenntnisse einer lebenslangen Schwindlerin

Foto: Hugo Marques / EyeEm
Wer von uns kann schon behaupten, noch nie eine kleine Notlüge erzählt zu haben oder etwas sparsam mit der Wahrheit umgegangen zu sein? Ich jedenfalls nicht. Und du bestimmt auch nicht. Du willst aber sicherlich nicht, dass dieses Verhalten zur Gewohnheit wird, oder? Ehrlichkeit währt schließlich am längsten. Das sieht diese 37-jährige Frau jedoch anders. Das Beschönigen und Weglassen von Fakten zeichnen nämlich ihre Vorgehensweise aus. Sie ist eine schamlose Schwindlerin, die sich ihren Weg durch die Arbeitswelt und das Leben an sich mogelt. Sie erklärt, wie sie es anstellt und warum sie es tut...
Warst du immer schon eine Schwindlerin?
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Man kann durchaus sagen, dass diese Eigenschaft seit Langem bei uns in der Familie liegt. Alle von uns haben bisher eher unspektakuläre Arbeit verrichtet – die üblichen Nebenjobs, die Leute annehmen, die von der Hand in den Mund leben, um über die Runden zu kommen. Menschen, die der Mittelschicht angehören, würden wahrscheinlich auf unseren Lebensstil herunterblicken. Dieses eine Mal zum Beispiel versteckten wir den Liebhaber meiner Mutter, damit wir uns für eine Sozialwohnung qualifizieren konnten. [Meine Familienmitglieder] haben im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Positionen in allen möglichen Bereichen besetzt. Solange es sich dabei um keinen richtigen Job handelte, war wirklich alles dabei. Du würdest sie wahrscheinlich als Gauner:innen bezeichnen. Dafür bin ich allerdings zu gut erzogen. Die kurze Antwort auf die Frage ist jedenfalls, dass ich ins Schwindler:innendasein hineingeboren wurde und es in meinen Genen steckt.

Wenn ein Job, für den ich mich interessiere, eine bestimmte Qualifikation erfordert, dann kann ich auf magische Weise plötzlich genau diese Qualifikation vorweisen. Wenn die Wohnung, die ich will, einen Bürgen braucht, dann voilà!

Bei welchen Dingen mogelst du?
Es gibt da nichts Bestimmtes. Ich hatte einfach irgendwann die Nase voll von verwöhnten reichen Kindern mit elitärer Ausbildung, die im Leben vorankamen und Erfolge verbuchten, während ich mir den Arsch abarbeitete und beruflich überhaupt nicht weiterkam. Also habe ich sie alle in ihrem eigenen Spiel besiegt. Wenn ein Job, für den ich mich interessiere, eine bestimmte Qualifikation erfordert, dann schüttele ich mir genau diese Qualifikation aus den Ärmeln. Wenn die Wohnung, die ich will, einen Bürgen braucht, dann, voilà – Zauberei. Ich erzähle Unwahrheiten, um die Dinge im Leben auszugleichen, über die ich keine Kontrolle habe. Im Endeffekt kann man aber auch einfach sagen, dass ich gleiche – und somit faire – Bedingungen schaffe, sodass das eigene Talent über Erfolg oder Misserfolg entscheidet, und keine anderen Faktoren.
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Okay, gib uns ein konkretes Beispiel...
Hier geht es nicht um VIP-Tickets, Schuhe oder Gucci-Gürtel. Hin und wieder ist die Herausforderung aber zu gut, um widerstehen zu können. Vor Kurzem machte ich einen Solo-Trip nach Thailand und wusste, dass ich in Dreckslöchern übernachten müsste, um so viel von dem Land zu sehen, wie ich vorhatte. Ich muss das Glückslos gezogen haben, denn ein sehr attraktiver Typ in meinem Alter saß neben mir. Als die 45-minütige Fahrt zu Ende war, war es uns gelungen, alle um uns herum davon zu überzeugen, dass wir gemeinsam auf Hochzeitsreise unterwegs waren. Schließlich wurde diese Reise zur besten unserer beider Leben – Honeymoon-Suiten, Reise-Upgrades und Champagner, und das überall, wo wir in Erscheinung traten. Ich will nicht behaupten, dass es kein zusätzlicher Bonus war, dass wir uns ein Zimmer teilen mussten. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wer in diesem Fall wen übers Ohr gehauen hat.
Auf welchen Bluff bist du am stolzesten?
Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals stolz auf einen Bluff gewesen bin. Stolz erfüllt mich, wann immer ich es schaffe, mit einer Mogelei durchzukommen – die Kunst des Schwindelns, wenn man so will. Ich bin viermal umgezogen und habe meinen Namen offiziell ändern lassen, sodass mich Geschehenes nicht einholen kann. Meine Familie kennt weder meinen aktuellen Namen noch weiß sie, wo ich genau wohne. Die Freund:innen, die ich jetzt habe, wissen sehr wenig über meine Vergangenheit. Ich schätze, man könnte sagen, dass ich einfach stolz darauf bin, mich morgens an meinen Namen erinnern zu können.
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... und deine beste Mogelanekdote?
Meine Familienmitglieder würden sich voller Stolz als Pioniere in der Verkehrsunfall-/Entschädigungsszene bezeichnen. In unserem Fall handelte es sich bei dieser Szene aber eher um eine Theaterbühne und nur selten um den Schauplatz eines echten Unfalls. Ich kann mich an zahlreiche Male erinnern, in denen die ganze Familie mit falschen Schlingen und Halskrausen zu einem Krankenhausbesuch erscheinen musste. Das war immer auch irgendwie lustig.

Mein Lebenslauf ist ein unerschöpfliches, fiktives Kunstwerk. Die Wahrheit ist, dass ich mit 15 Jahren die Schule verließ, mit 16 oben ohne als Bardame arbeitete und mit 17 als Table-Dancerin meine Brötchen verdiente.

Hast du jemals beim Thema Arbeit geschwindelt?
Mein Lebenslauf ist ein unerschöpfliches, fiktives Kunstwerk. Die Wahrheit ist, dass ich mit 15 Jahren die Schule verließ, mit 16 oben ohne als Bardame arbeitete und mit 17 als Table-Dancerin meine Brötchen verdiente. Mein LinkedIn-Profil zeigt an, dass ich meinen Master an einer Elite-Uni gemacht habe, über umfangreiche Berufserfahrung verfüge und alle dazugehörigen Referenzen vorweisen kann.
Was halten deine Freund:innen und Familienmitglieder von deinen Schwindeleien? Wissen sie überhaupt davon?
Bis zu einem gewissen Grad wissen sie Bescheid. Wenn mir etwas Lustiges widerfährt, erzähle ich es ihnen. Die Highlights behalte ich aber für mich.
Wurdest du jemals schon dabei erwischt?
Nicht, dass ich mich erinnern könnte (*bricht kurz in Angstschweiß aus*).
Machst du dir Sorgen darüber, dass dir jemand auf die Schliche kommen könnte?
Wahrscheinlich weniger, als ich sollte.
Ist es als Schwindlerin einfacher, andere Schwindler:innen ausfindig zu machen?
Wir leben im Zeitalter der Schwindler:innen – von Politiker:innen und Anwält:innen bis hin zu Werbetreibenden und Vermieter:innen. Indem wir schwindeln, können wir schnelles Geld machen.
Um einen Fuß in die Tür zu kriegen, entschied ich mich, bei meinem Lebenslauf in Bezug auf meine Ausbildung zu schwindeln. Das heutige Äquivalent dazu ist es, Instagram-Follower davon zu überzeugen, dass du interessant bist und es sich auszahlt, dir zu folgen. Aus dieser sozialen Währung lässt sich Kapital schlagen. So sehr haben sich die Zeiten also nicht geändert.
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Was ist deiner Meinung nach der Unterschied zwischen Mogeln und Lügen?
Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen Mogeln und Lügen. Ich habe eine Geschichte erfunden oder die Wahrheit weggelassen, um mir Gelegenheiten zu ermöglichen, die mir sonst vielleicht verwehrt geblieben wären. Anstatt mich mit meinem Ausbildungsgrad zufriedenzugeben, habe ich meine Wissenslücken mithilfe meiner Vorstellungskraft gefüllt. Hinter meinem Schwindeln verbargen sich Verzweiflung, Neid und zweifellos auch etwas in mir, das sehen wollte, ob es mir gelingen würde, mit meinen Schwindeleien und Tricks durchzukommen.
Braucht man Mumm zum Mogeln? Hast du jemals einen Rückzieher gemacht?
Es gab eine Zeit, als ich vor nichts Angst hatte und meinte, man solle alles versuchen, solange die Vorteile überwiegen. Heutzutage bin ich viel vorsichtiger. Das liegt vielleicht daran, dass ich mehr zu verlieren habe als früher. Ich liebe mein Leben, das ich ebenso viel Glück wie auch harter Arbeit zu verdanken habe. Es wäre schrecklich, noch einmal ganz bei null anfangen zu müssen.
Hast du Profi-Tipps für Neulinge auf Lager?
Heutzutage ist niemand mehr ein echter Neuling. Ein Scheinleben zu führen ist anstrengend, wie alle von uns mit einem Instagram-Account nur allzu gut wissen.
Gibt es noch etwas, das du hinzufügen möchtest?
Beim Beantworten dieser Fragen ist mir klar geworden, dass das, was ich bisher für eine lustige Geschichte gehalten habe, eigentlich eine ziemlich traurige Story eines Mädchens ist, das lange Zeit bereit dazu war, alles zu tun, um weiterzukommen. Ich hatte fast schon Mitleid mit meinem jüngeren Ich.

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