WERBUNG
WERBUNG

Auf Identitätssuche: Fotos von südasiatischen Frauen im Westen

Foto: Anjuli Selvadurai.
Anjuli Selvaduria wurde im neuseeländischen Auckland geboren. Ihre Mutter war in den 1970ern aus Großbritannien dorthin gezogen, und ihr Vater war in Kuala Lumpur aufgewachsen, bevor er in seinen 20ern nach Neuseeland ausgewandert war. 
Während ihrer Jugend erkannte sich Selvadurai in den Medien überhaupt nicht wieder – Repräsentation gab es dort nicht. Als Konsequenz davon hat sie heute das Gefühl, dass sie ihre Kultur damals total vernachlässigte. „Als ich älter wurde und mit der Kunst anfing, setzte ich mich erstmals damit auseinander, was es hieß, Neuseeländerin in erster Generation, aber unterschiedlicher Abstammung zu sein.“ Ihr Fotoprojekt Spice Girl entstammt genau dieser widersprüchlichen Erfahrung. 
WerbungWERBUNG
Inzwischen ist sie Mitte 20 und hat ein abgeschlossenes Fotografiestudium hinter sich. Mit ihrer Kunst kann Selvadurai diese damaligen Gefühle des Fehl-am-Platz-Seins und der Zugehörigkeit endlich ausdrücken und verarbeiten. Sie nutzt ihre Werke, um einen Blick auf das Leben junger Frauen mit gespaltener Herkunft zu werfen.
„Obwohl ich eine sehr glückliche Kindheit hatte, hatte ich immer das Gefühl, dass ich weder in die westliche noch in die südasiatische Welt so richtig reinpasste. Das ärgerte mich irgendwie. Ich konnte mich in den Fotos von südasiatischen Frauen mit Goldschmuck und besticktem Sari genauso wenig wiedererkennen wie in den Darstellungen der Frauen in westlichen Medien.“ Bei der Fotografie geht es ihr daher weniger darum, technisch perfekte Fotos zu machen; für sie ist das eine Möglichkeit, die kleinen „Lücken“ in ihrem Selbstbild zu visualisieren. „Mit den meisten meiner Werke möchte ich einen Raum schaffen, in dem ich frei existieren kann und mich darin bestärkt fühle, mich auf meine eigene Art darzustellen.“
Foto: Anjuli Selvadurai.
Foto: Anjuli Selvadurai.
Selvadurais Fotos sind durchzogen von Symbolen beider Kulturen, um ein ganzheitliches Bild ihrer Identität zu schaffen. Die Bilder sind Einzelporträts, auf denen Saris, Sonnenbrillen, Creolen und Tanktops in warme Magenta-, Orange- und Goldtöne gehüllt sind. Manche Porträts liegen dabei auf einem Hintergrund aus detailliert besticktem Stoff. „Weil meine Erfahrungen mit meiner Identität im Laufe meines Lebens bisher immer recht einsam waren, wollte ich diese Einsamkeit auch in meiner Arbeit widerspiegeln. Deswegen holte ich für diese Fotoreihe nur eine Person vor die Kamera.“ Das Model ist eine junge Frau namens Shakira, die ebenfalls südasiatische Wurzeln hat, aber im Westen aufwuchs. Die beiden waren daher durch viele gemeinsame Erfahrungen miteinander verbunden.
WerbungWERBUNG
„Indem ich die Gefühlswelt meines jugendlichen Ichs auf sie projizierte, wollte ich ein verträumtes Bild eines Mädchens erschaffen, das sich als ihre eigene Muse sieht“, erklärt Selvadurai. Dieses Motiv der Selbstbestärkung und -akzeptanz zieht sich durch all ihre Werke, und in vielerlei Hinsicht war dieses Projekt ein wichtiger Schritt für die Fotografin, um die Kamera schließlich auch auf sich selbst zu richten. Seitdem hat sie auch eine Reihe aus Selbstporträts unter dem Titel Gita veröffentlicht, die den Kontrast ihrer beiden Kulturen zelebrieren.
Foto: Anjuli Selvadurai.
„Das Motiv des Mädchendaseins taucht häufig in meinen Werken auf, weil sich viele meiner Identitätsfragen zum ersten Mal während dieser Zeit in meinem Leben auftaten. Merkwürdigerweise stimmt es mich irgendwie sentimental, wenn ich auf diese Jahre der Unschuld und diese Gefühle der Sehnsucht nach Zugehörigkeit zurückblicke.“ Der Name ihrer Fotoreihe, Spice Girl, entspringt genau dieser Sentimentalität und ist eine lustige, nostalgische Anspielung auf die Girl Group ihrer Jugend – die Spice Girls. Wenn sie die Gruppe damals mit ihren Freund:innen nachahmte, erzählt sie, wurde ihr immer die Rolle der „Scary Spice“ aufgedrückt. Dieses schmerzhafte, sinnlose Zusammenspiel aus Identitäten und Kulturen war keine individuelle Erfahrung, sondern eine, die Frauen wie sie überall und jederzeit machen müssen.
Foto: Anjuli Selvadurai.
Foto: Anjuli Selvadurai.
Die meisten dieser Fotos entstanden im Garten von Selvadurais Wohnung. Vor dem Shooting setzten sich die beiden Frauen mit einem Tee zusammen und besprachen ihre Ideen für die Bilder. Dann wühlten sie sich durch Selvadurais Schrank und suchten sich Outfits und Accessoires aus, aus denen sie schließlich Looks erstellten, die ihnen beiden gefielen. Dann erschufen sie sich ein kleines „Studio“ im Sonnenschein. „Wir drapierten Saris über die Wäscheleine. Dadurch entstand diese kleine Ecke, die mein Mädchenleben gut widerspiegelte: ein Ort, an dem wir selbst etwas erschufen und ganz offen miteinander redeten. Dieser ganze Prozess war irgendwie erfrischend. Es war toll, mit jemandem zusammenzuarbeiten, die mir so ähnlich war. Dadurch bekam ich einen Einblick darin, wie meine Arbeit für andere sprechen kann.“
WerbungWERBUNG
Selvadurais Lieblingsbild aus der Reihe zeigt Shakiras Hand, die auf dem Stoff eines moosgrünen Saris liegt. Der Sari ist mit Gold- und Pinktönen bestickt und glänzt im Licht. Das Foto ist deshalb so besonders, weil es auch einen von Shakiras liebsten Momenten darstellt. „Sie hatte sich für das Shooting mit Henna bemalen lassen. Ich weiß noch, wie aufgeregt sie deswegen war“, erinnert sich Selvadurai lächelnd. „Sie erzählte mir, sie habe dafür viele Komplimente von ihren Freund:innen bekommen und sei in der Schule so stolz darauf gewesen. Das machte mich so glücklich.“ Shakira zu zeigen, dass alles an ihr wunderschön ist – darum ging es Selvadurai dabei.
Foto: Anjuli Selvadurai.
Die Fotografin hofft, dass es Menschen wie ihr – die jemals das Gefühl hatten, nicht komplett dazuzugehören – gelingt, sich irgendwann selbst zu akzeptieren und sich in diesem Zwischenraum wohlzufühlen. Auch da gibt es Zugehörigkeit, sagt sie. „Ich will, dass die Leute stolz auf ihre Abstammung sein können, ganz egal, wie die aussehen mag.“ Anhand ihrer eigenen Erfahrungen und der Zeit, die sie mit diesem Projekt verbracht hat, gibt es Selvadurai zufolge noch vieles, was unsere Gesellschaft tun könnte, um südasiatische Identitäten und Körper besser zu repräsentieren.
„Als Neuseeländerin aus erster Generation und mit sowohl englischen als auch sri-lankischen-malaysischen Wurzeln ist mir Repräsentation so unheimlich wichtig. Ich wünschte, ich hätte so etwas [wie dieses Projekt] während meiner Kindheit und Jugend gesehen. Ich möchte mehr südasiatische Frauen, sich als weiblich identifizierende und nicht-binäre Menschen in den westlichen Mainstream-Medien sehen. Leute, die aussehen und dasselbe erlebt haben wie ich.“ Für ihr Selbstbild war es daher entscheidend, diesen Wunsch in ihren Fotos auszudrücken. „Ohne meine Kunst wäre ich wohl immer noch verloren.“
Foto: Anjuli Selvadurai.

More from Books & Art

WERBUNG